Berlin - Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will Afghaninnen und Afghanen mithilfe von Geldzahlungen dazu bewegen, ihren Aufnahmeanspruch in Deutschland aufzugeben. In einem Schreiben, das im Auftrag des Bundesinnenministeriums an Betroffene versendet wurde und das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, heißt es: „In Anbetracht dieser aktuellen Situation bietet das Bundesministerium des Innern Ihnen Unterstützungsoptionen an, sollten Sie sich entscheiden, das Aufnahmeverfahren zu verlassen.“ Die „aktuelle Situation“ bezieht sich auf die Lage in Pakistan, die pakistanischen Behörden haben der Bundesregierung eine Frist bis Jahresende gesetzt, um die Verfahren abzuschließen. „Leider ist nicht garantiert, dass alle Verfahren rechtzeitig abgeschlossen werden können“, heißt es weiter.
Den Ausreisewilligen soll eine einmalige finanzielle Unterstützung angeboten werden, die je nach Familienkonstellation mehrere tausend Euro beträgt. Neben der Ausreise nach Afghanistan sei im Einzelfall auch „eine Rückkehr in einen Drittstaat“ möglich. Zwei Wochen haben die Betroffenen Zeit, sich zu entscheiden, ob sie das Angebot annehmen.
Zusätzlich sollen die Ausreisenden Sachleistungen sowie die Finanzierung des Transports erhalten. „Außerdem wird bei der Ankunft in Afghanistan eine Unterstützung durch Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung sowie medizinischer und psychosozialer Versorgung für einen Zeitraum von 3 Monaten erbracht“, heißt es in dem Schreiben, das auch deutschen Anwälten vorliegt, die mit den Fällen aus Pakistan und Afghanistan betraut sind.
Mindestens 1.900 Afghaninnen und Afghanen warten in Pakistan auf eine Aufnahme
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bestätigt dem epd auf Anfrage: „Es gibt Angebote im Rahmen eines freiwilligen Rückkehrprogramms nach Afghanistan oder die Ausreise in einen anderen Drittstaat.“ Ziel sei es, den Personen eine Perspektive einzuräumen, die nicht mit einer Aufnahme in Deutschland rechnen können. Die Frage, an wie viele Personen sich das Rückkehrprogramm richtet, ließ das Ministerium bisher unbeantwortet.
Pressesprecherin Eva Beyer von der Organisation Kabul Luftbrücke kritisierte das Vorgehen scharf. „Die Bundesregierung hat sich monatelang Zeit gelassen und will sich jetzt mit einem billigen Trick aus der Verantwortung ziehen“, sagte sie dem epd. Ihren Informationen zufolge wurde das Rückkehrangebot Menschen gemacht, die eine Zusage nach der Menschenrechtsliste und dem Überbrückungsprogramm haben.
Alleinstehende Personen sollen 6.500 Euro erhalten
Beyers Informationen zufolge wurde alleinstehenden Personen ein Betrag von insgesamt 6.500 Euro als sogenannte Starthilfe angeboten. „6.500 Euro für ein Menschenleben - das ist ein Betrag, der in vielen Fällen noch nicht einmal ausreicht, die Kosten der Menschen für ihre Ausreise nach Pakistan zu decken“, kritisierte sie.
Mindestens 1.900 Menschen in Pakistan mit einer Aufnahmezusage für Deutschland warten nach Angaben des Innenministeriums noch auf eine Einreisemöglichkeit. Mehr als 200 Afghaninnen und Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage sind im Sommer bereits abgeschoben worden. Bei den Menschen handelt sich um frühere lokale Mitarbeiter von Bundeswehr oder anderen deutschen Institutionen, die in Afghanistan tätig waren, sowie um Menschen, die wegen ihres Engagements für den Aufbau eines demokratischen Staats heute Verfolgung durch die radikalislamischen Taliban fürchten müssen.
