Berlin - Das oberste Gericht Boliviens hat am Mittwochnachmittag (Ortszeit) die Freilassung der ehemaligen Interimspräsidentin Jeanine Añez angeordnet. Bei der Verurteilung von Añez im Jahr 2023 seien die Grundrechte der Verteidigung missachtet worden, befanden laut dem Fernsehsender Red Uno sieben der neun Richter. Añez war zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, da sie nach Ansicht des Gerichts durch einen Militärputsch an die Macht kam. Añez bedankte sich auf der Plattform X für die Entscheidung des Gerichts.
Der Menschenrechtsanwalt David Inca kritisierte die Entscheidung hingegen scharf. Im Kanal Unitel sagte er, das Gericht ordne sich der neuen politischen Ordnung unter, die „von rechter Seite dominiert“ werde. Inca, der mehrere Familienangehörige von Opfern von Polizeigewalt unter der Regierung Añez vertritt, erklärte, man werde gegen die Entscheidung vor das Interamerikanische Gericht für Menschenrechte ziehen.
Die Entscheidung fiel kurz vor dem Amtsantritt des Christdemokraten Rodrigo Paz statt. Bereits nach seinem Wahlsieg in erster Runde hatten verschiedene Gerichte des Landes die Freilassung von Politikern angeordnet, die an der Machtübernahme von Añez beteiligt waren.
Añez war Übergangspräsidentin seit 2019
Die rechte Politikerin Añez hatte sich im November 2019 mit Unterstützung des Militärs zur Übergangspräsidentin ernannt, nachdem Staatschef Evo Morales nach Wahlbetrugsvorwürfen zurückgetreten und ins Exil gegangen war. Bei den folgenden Protesten kamen zahlreiche Menschen ums Leben. Añez hatte damals ein Dekret unterzeichnet, das den Sicherheitskräften Straffreiheit garantierte. Nach dem Wahlsieg von Morales’ Wirtschaftsminister Luis Arce im Oktober 2020 wurde Añez festgenommen.
