Belém - Die erste Klimakonferenz im Amazonas sollte ein Zeichen setzen - für den Schutz der Regenwälder, für ambitionierte Antworten auf die Klimakrise und dafür, dass multilaterale Zusammenarbeit auch ohne die USA funktioniert. Doch nach zwei Wochen Verhandlungen und einer mehr als 19-stündigen Verlängerung zeigt sich: Der UN-Klimaprozess stößt an seine Grenzen.
Zu Beginn waren viele Delegationen voll des Lobes für die brasilianischen Gastgeber. Die Stimmung sei überraschend gut und konstruktiv, hieß es aus verschiedenen Lagern. Nach drei Jahren in autoritär regierten Staaten wie Aserbaidschan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten freuten sich viele Teilnehmende über die farbenfrohen Proteste auf den Straßen Beléms. Selbst nachdem eine Gruppe Indigener das Konferenzzentrum gestürmt hatte, blieb die Atmosphäre entspannt.
Inhaltlich hatte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in seiner Eröffnungsrede den Ton gesetzt: Er forderte zwei konkrete Fahrpläne - einen für das Ende der Entwaldung, einen für die Abkehr von Öl, Kohle und Gas. Keiner dieser Vorschläge schaffte es in die Abschlusserklärung. Doch zumindest der Fossil-Ausstieg entwickelte sich schnell zum beherrschenden Thema der Konferenz.
Der Grund für das magere Ergebnis liegt in den verhärteten Fronten zwischen den Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens. Während lateinamerikanische Staaten - allen voran Kolumbien -, kleine Inselstaaten und die EU für einen verbindlichen Ausstiegsplan aus fossilen Energien kämpften, blockierten Öl-Exportländer wie Saudi-Arabien und Russland jeden Fortschritt.
Das Ergebnis: Ein Minimalkompromiss
Nicht einmal das Wort „fossile Energien“ taucht schlussendlich in der Abschlusserklärung auf, die am Samstagmorgen nach 19-stündiger Verlängerung verabschiedet wurde. Stattdessen einigte man sich auf eine freiwillige Initiative mit dem sperrigen Namen „Global Implementation Accelerator“, die Länder bei der Umsetzung ihrer Klimaziele unterstützen soll. Ein Verweis auf den Dubai-Beschluss von 2023, der eine Abkehr von fossilen Energien vorsah, findet sich im Kleingedruckten. Ein Minimalkompromiss.
Nächtelang wurde dieser Kompromiss verhandelt. Nur als ein Feuer am Donnerstagmittag auf dem Konferenzgelände ausbrach und dieses evakuiert werden musste, mussten die Verhandlungen kurzzeitig unterbrochen werden.
Selbst im Abschlussplenum am Samstag blieb es angespannt: Kolumbien drohte, einem weiteren Klimaschutz-Beschluss zu widersprechen, sollte dieser keinen Verweis auf fossile Energien enthalten. Die Sitzung musste zwischenzeitlich unterbrochen werden. Ein russischer Delegierter bezeichnete die lateinamerikanischen Staaten daraufhin als verwöhnte „Kinder“.
Schneider: „Ich bin ein bisschen enttäuscht“
Auch die EU-Delegation trat ungewöhnlich deutlich auf und drohte den Prozess platzen zu lassen, wenn der Fahrplan zum Ausstieg aus den fossilen Energien es nicht ins Abschlussdokument schafft. „Unter keinen Umständen werden wir das akzeptieren“, sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra laut Manuskript in einer nichtöffentlichen Sitzung. Am Ende konnten die EU-Staaten sich doch nicht durchsetzen.
„Ich bin ein bisschen enttäuscht“, sagte Bundesumweltminister Schneider über das Ergebnis. Er habe sich „deutlich mehr“ beim Ausstieg aus Verbrennungstechnologien gewünscht. Die EU sei geschlossen für mehr Klimaschutz eingetreten, sei aber auf eine „sehr stark auftretende Petroindustrie“ gestoßen.
Nach der Annahme der Abschlusserklärung nahm Konferenzpräsident André Corrêa do Lago die Sache dann in die eigene Hand und tat etwas Ungewöhnliches: Er kündigte eine eigene Initiative zur Erarbeitung eines Fahrplans zum Ausstieg aus den Fossilen an - außerhalb des offiziellen Beschlussprozesses. Er verwies auf hochrangige Gespräche und eine Konferenz in Kolumbien 2026. Deutschland hat bereits Unterstützung zugesagt.
Neue Klimadiplomatie: Freiwillige Initiativen?
Diese Auslagerung ist symptomatisch: Was im Konsens nicht durchsetzbar ist, wird in freiwillige Nebenprozesse verschoben. Ein pragmatischer Ausweg in einer angespannten geopolitischen Lage - der aber langfristig die Verbindlichkeit der Klimadiplomatie aushöhlt.
Belém offenbart damit das Kernproblem des UN-Klimaprozesses: Einzelne Staaten können ambitionierte Beschlüsse blockieren, während die Klimakrise keine Zeit für endlose Kompromisse lässt. Die Kluft zwischen dem wissenschaftlich Notwendigen und dem politisch Durchsetzbaren wächst.
Die Hoffnung liegt nun auf sogenannten Koalitionen der Willigen, die außerhalb der offiziellen Verhandlungen voranschreiten. Doch es ist offen, ob diese den Prozess wirklich beeinflussen können - oder ob sie die Spaltung zwischen Vorreitern und Verweigerern nur vertiefen.