Grenzen auf in Afrika!

wer dieser Tage die Nachrichten verfolgt, muss zum Schluss kommen, dass Deutschland wieder einmal am Abgrund steht. Und wieder einmal sollen Flüchtlinge und Migranten dafür verantwortlich sein. Es sind zu viele! Wir sind am Limit! Es droht eine Katastrophe! So hysterisch tönen Politikerinnen und Politiker landauf, landab aus mittlerweile fast allen im Bundestag vertretenen Parteien. Und etliche Medien tönen munter mit. Wenn man das den Leuten lang und laut genug einbläut, glauben sie es natürlich irgendwann und entsprechend giftig wird die gesellschaftliche Stimmung. 

Wie schon lange nicht mehr sehne ich mich in diesen Tagen nach verantwortungsvollen Entscheidungsträgern, die dem Volk mutig zurufen: "Wir schaffen das!" Und die dann, anstatt den Teufel an die Wand zu malen, die Probleme anpacken und nach Lösungen suchen, die länger halten als drei Monate. Das wurde seit 2015 offenbar versäumt, wenn die Lage heute wirklich so dramatisch ist, wie behauptet. Stattdessen wird jetzt wieder nur in eine Richtung gedacht: Migranten und Flüchtlinge von Deutschland und Europa fernzuhalten, vor allem wenn sie nicht mittel- oder osteuropäisch weiß aussehen. 

Dass das nicht funktioniert, wissen wir seit 1993, als das deutsche Asylrecht erstmals "reformiert" wurde. Seitdem wird der Flüchtlingsschutz geschleift, aber die Migranten und Flüchtlinge werden nicht weniger. Mittlerweile fordern Politiker von der CDU ernsthaft, das Asylrecht abzuschaffen, obwohl selbst sie wissen könnten, dass das an der Migration und der Flucht Richtung Europa nichts ändern würde. Und der Vorsitzende derselben Partei sagt gestern im Fernsehen über abgelehnte Asylbewerber: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine." 

Was einmal mehr beweist: Gewissenlose und gefährliche Hetzer gibt es längst nicht mehr nur in der AfD.

Migration, die Suche nach einem neuen, vielleicht besseren Leben, auch über Grenzen hinweg, gehört zum Menschsein und sollte eigentlich Menschenrecht sein. Wenn man das akzeptiert und vernünftig organisiert, statt zu blockieren versucht, entstehen Chancen. Das schwebt auch der Afrikanischen Union vor, die ihre Mitglieder schon lange ermutigt, die Arbeitsmigration auf dem Kontinent zu erleichtern. Die afrikanischen Regierungen sollten das stärker beherzigen, kommentiert unser Autor Christopher Changwe Nshimbi. Und die Europäische Union sollte es durch die Auslagerung ihrer migrationsfeindlichen Politik nicht sabotieren.

Eine anregende und erhellende Lektüre wünscht Ihnen

Tillmann Elliesen

Neu auf "welt-sichten"

Angriff auf die armenische Kultur: Bergkarabach ist wieder voll unter aserbaidschanischer Kontrolle. Neben der sich abzeichnenden humanitären Katastrophe wird auch befürchtet, dass armenische Kirchen und Klöster zerstört oder umgewidmet werden. Kenner der Region warnen aber, von einem Religionskonflikt zu sprechen, berichtet Katja Dorothea Buck.

Das BMZ will den Multilateralismus stärken - und nutzen: Rechtzeitig zur UN-Generalversammlung hat das Entwicklungsministerium eine neue Multilateralismus-Strategie vorgelegt. Die UN werden darin als Grundpfeiler einer multilateralen Entwicklungspolitik genannt. Aber auch exklusivere Zweckbündnisse findet das BMZ wichtig, berichtet Marina Zapf.

Der Mercosur antwortet der EU: Die Mercosur-Staaten lehnen es ab, im geplanten Handelsabkommen mit der Europäischen Union Sanktionen für Verstöße gegen Umweltauflagen vorzusehen. Das haben sie in einer offiziellen Antwort auf entsprechende Forderungen aus Brüssel klargestellt.

"Auch unsere Kinder haben ein Recht auf Leben": Die Forscherin und Klimaaktivistin Tanya Afu von den Salomoninseln fordert die reichen Staaten dazu auf, ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Erderwärmung nachzukommen. Barbara Erbe hat sie interviewt.

 

Noch immer interessant

Verantwortungsloses Geschäft mit Mikrokrediten? Die Menschenrechtsorganisation FIAN hatte Ende des vergangenen Jahres zusammen mit zwei kambodschanischen Menschenrechtsorganisationen Beschwerde gegen den in den Niederlanden registrierten Mikrofinanzinvestor Oikocredit eingereicht, weil er aus Ihrer Sicht gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verstößt. Jetzt hat die niederländische Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze die Beschwerde angenommen, um sie zu prüfen. FIAN und seine kambodschanischen Partner werfen Oikocredit vor, mit der Unterstützung von Mikrofinanzinstituten ein Geschäft zu fördern, das viele Menschen in große Bedrängnis bringt, weil sie ihre Kreditschulden nicht mehr begleichen können. Auch der entwicklungspolitische Gutachter Frank Bliss sieht Mängel in der kambodschanischen Mikrofinanzbranche, schätzt die Lage insgesamt aber weniger düster ein. In einem sehr aufschluss- und kenntnisreichen Gespräch für "welt-sichten" haben sich Frank Bliss und Mathias Pfeifer von FIAN über die wesentlichen Punkte ausgetauscht. In manchem waren sie einer Meinung, in manchem nicht.

Buchtipp

Respekt vor den Träumen Algeriens: Der Sturz des Bouteflika-Regimes 2019 hat Algerien verändert. Andrew G. Farrand hat ein gut lesbares Sachbuch vorgelegt, das mit persönlichen Anekdoten, lebendigen Beschreibungen sowie einer faktenreichen Aufarbeitung der jüngsten Geschichte überzeugt, findet Elisa Rheinheimer.

Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!