Grenzen auf in Afrika!

Zum Thema
Africa Migration Report
Wolfgang Ammer
Migration
Wenn Arbeitskräfte in Afrika mobil sind, kann das den Kontinent wirtschaftlich voranbringen – so hat sich das die Afrikanische Union gedacht. Doch die Regierungen beherzigen das nicht, und auch die Europäische Union behindert diesen Ansatz.

Seit Januar 2021 gelten die Regeln der Afrikanischen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area, AfCFTA). Die meisten Analysen dazu konzentrieren sich auf das erwartete Wachstum des innerafrikanischen Handels und der regionalen Wertschöpfungsketten, die das verarbeitende Gewerbe und die Agrarindustrie voranbringen werden. Nur wenige fragen danach, welche Folgen die durch die Freihandelszone ausgelöste erhöhte Mobilität der 1,2 Milliarden Menschen in Afrika haben wird. 

90 Prozent der afrikanischen Migration findet innerhalb Afrikas statt, zwischen den Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union. Afrikanische Staats- und Regierungschefs haben die Migration schon zu einem Kernbestandteil ihrer Agenda zur Integration und Entwicklung Afrikas gemacht, lange bevor die afrikanischen Länder in den 1980er und 1990er Jahren auf eine neoliberale Wirtschaftspolitik umgeschwenkt sind. Ziel war es, die Ausbildung und den Austausch von Forschern und Fachleuten in ganz Afrika voranzubringen, um deren Fähigkeiten voll auszuschöpfen.

Diese Bestrebungen wurden durch kontinentale, regionale und nationale arbeitsrechtliche Regeln zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern innerhalb Afrikas unterstützt. Die Instrumente ermutigen die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union, den Austausch von Arbeitskräften untereinander zu verstärken. Das soll die Beschäftigung von qualifizierten Arbeitskräften aus den Mitgliedstaaten in anderen Staaten, in denen ein Mangel herrscht, erleichtern. 

Ausweisungen und Fremdenfeindlichkeit

Die meisten Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union tun sich aber schwer, das in die Tat umzusetzen. Einige haben zwar Aktionspläne zur Bewältigung von Migration, andere hingegen haben gar keine Migrationspolitik. Migrationswissenschaftler und Aktivisten beklagen, dass die Politik von Ländern wie Südafrika im Gegenteil darauf zielt, die Zuwanderung von gering qualifizierten und ungelernten Arbeitskräften zu beschränken. 

Tatsächlich weisen Länder wie Ghana, Nigeria, Südafrika und Sambia regelmäßig eine große Zahl von Einwanderern aus anderen afrikanischen Ländern aus, weil sie sie als „illegal“ betrachten. In einigen dieser Länder sind fremdenfeindliche Einstellungen keine Seltenheit. Viele Afrikaner werfen den Südafrikanern vor, fremdenfeindlich zu sein, doch auch in Nigeria hört man Sätze wie „Ghana muss weg“, der auf die Ausweisung von Einwanderern aus diesem Land zielt. Einkommensstarke und an Naturressourcen reiche Länder in Afrika ziehen qualifizierte und ungelernte Migranten aus anderen afrikanischen Ländern an. Die Politik und die Haltung der Bürger gegenüber Arbeitsmigranten in einigen dieser Länder stehen jedoch im Widerspruch zur kontinentalen und regionalen Politik und dem Streben nach einem integrierten Afrika, das auf dem Austausch von Arbeitskräften beruht. 

Autor

Christopher Changwe Nshimbi

ist Politikwissenschaftler und Direktor des Centre for the Study of Governance Innovation an der Universität von Pretoria, Südafrika. Er forscht vor allem zu Migration, regionaler Integration und der informellen Wirtschaft.
Die Politiker in den Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union sollten davon abgehalten werden, die Migration für kurzfristige politische Vorteile zu politisieren. Sie sollten vielmehr Informations- und Aufklärungskampagnen initiieren, die zeigen, wie wichtig Arbeitsmigration für die afrikanische Integration ist und dass sie sich günstig auf die Entwicklung des Kontinents auswirkt. 

Zu den innerafrikanischen Hürden, die die Freizügigkeit von Arbeitskräften behindern, kommen Hindernisse von außerhalb noch hinzu. Eines davon ist die Politik der Europäischen Union (EU) und von einigen ihrer Mitgliedsstaaten. Die EU ändert ständig ihre Vorgaben und ihre Maßnahmen zur Regulierung von Migration; auf diese Weise reagiert sie auf Besorgnis über die Zuwanderung von außerhalb. Die angeblichen sozioökonomischen und sicherheitspolitischen Gefahren, die von irregulären Migranten aus Afrika ausgehen, sind ein heißes politisches Eisen in Europa. 

EU-Export nach Afrika

Die EU reagiert auf die Zuwanderung mit stärkerer polizeilicher Überwachung und der Militarisierung der EU-Außengrenzen. Sie exportiert diesen Ansatz auch nach Afrika, wo er von Ländern wie Libyen und Sudan übernommen wird. Das Ziel ist es, Migranten und Flüchtlinge aus Afrika von der EU fernzuhalten.

Die EU und die Staats- und Regierungschefs ihrer Mitgliedstaaten arbeiten mit den afrikanischen Regierungen im Mittelmeerraum, in der Sahelzone und am Horn von Afrika zusammen, um die afrikanischen Grenzen gegen Migration zu sichern. Sie unterstützen sogar Länder wie Libyen, die für grobe Menschenrechtsverletzungen bekannt sind, finanziell bei der Militarisierung ihrer Grenzen. Einige afrikanische Länder erhalten Entwicklungshilfe von der EU oder ihren Mitgliedstaaten unter der ausdrücklichen Bedingung, dass sie die von der EU gebilligten Strategien zur Grenzkontrolle übernehmen.
Andere EU-Politiken behindern indirekt die Liberalisierung der innerafrikanischen Migration. Sie betreffen eigentlich die Wirtschaft der EU, schaden aber afrikanischen Ländern, was wiederum Folgen für die Migration hat. Ein Beispiel dafür ist die Gemeinsame Fischereipolitik der EU, deren wirtschaftliche Auswirkungen in Afrika Menschen zur Migration zwingen. Die Überfischung und die industrielle Verarbeitung von Fisch in Regionen wie Westafrika reduzieren die Produktionskapazitäten der Fischer und zerstören ihre Lebensgrundlagen.

Anstatt zu versuchen, die Afrikaner fernzuhalten, sollten die EU und deren Mitgliedstaaten erkennen, dass sie irreguläre Migration allein nicht wirksam bekämpfen können. Trotz der Militarisierung der EU-Grenzen machen sich irreguläre Migranten weiterhin auf den Weg in die EU. Das deutet darauf hin, dass dort eine Nachfrage nach der Art von Arbeitskraft besteht, die sie anbieten. Die EU und die Afrikanische Union sollten Programme für die Vermittlung von unternehmerischen Fähigkeiten und von technischem Know-how auflegen, die dem Bedarf der Wirtschaftssektoren entsprechen, die die Migranten auf die Arbeitsmärkte der EU ziehen. Die Zuwanderer würden dann für die Zeit einer Ausbildung in die EU einreisen dürfen und nach dem Abschluss wieder ausreisen. Dies wäre für alle ein Gewinn: für die afrikanischen Länder, für die EU und ihre Mitgliedstaaten und für die Menschen hier wie dort. 

Aus dem Englischen von Tillmann Elliesen.

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erschienen in Ausgabe 5 / 2023: Wenn's ums Geld geht
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