Die vierte Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) in Sevilla ist im Juli, sechzehn Monate nach der ersten Vorbereitungssitzung in Addis Abeba, zu Ende gegangen. Die Verhandlungen spiegelten insbesondere in den letzten Monaten die unterschiedlichen Machtinteressen und Prioritäten von Regionen und Ländern, Nord und Süd, den sieben großen Industrieländern und dem Rest der Welt.
Den Multilateralismus zu stärken, war das Hauptanliegen der FfD4 – das sagten die Mitgliedstaaten von Beginn an und es ist im Ergebnis erwähnt. Hintergrund sind Forderungen, die Entscheidungsfindung zur globalen Wirtschaftspolitik in demokratische Gremien wie die Vereinten Nationen zu verschieben und hin zum Prinzip „ein Land – eine Stimme“ statt „ein Dollar – eine Stimme“ wie im Internationalen Währungsfonds (IWF).
Die FfD-Konferenzen alle zehn Jahre gelten hauptsächlich der Verpflichtung auf die Finanzierung der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030), sollten aber viel mehr sein: eine Gelegenheit für eine systemische Reform der globalen Finanzarchitektur. Diese Chance wurde in Sevilla verpasst. Aussagen zur stärkeren Rolle der Vereinten Nationen, beispielsweise bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise oder in der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA), wurden während der Verhandlungen abgeschwächt.
Industrieländer fürchten Doppelarbeit
Ehrgeizige Ergebnisse wurden zurückgestutzt mit dem Ziel, den Status quo mit nur kosmetischen Änderungen aufrechtzuerhalten. Eins der Hauptargumente dafür, vor allem von Industrieländern, lautete, man müsse Doppelarbeit bei Themen wie Schulden, ODA oder Steuerreformen vermeiden, um die Macht von Institutionen zu erhalten, in denen der globale Süden kein gleichberechtigtes Mitspracherecht hat – insbesondere des IWF, der Weltbank, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des Pariser Clubs der Gläubigerländer sowie der G20.
Die wichtigste Forderung mehrerer südlicher Blöcke und Länder wie der Afrikanischen Gruppe, der Allianz kleiner Inselstaaten, Brasiliens, Pakistans und Kubas war ein UN-Rahmenabkommen über Staatsschulden. Das haben die EU, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland abgeblockt. Man einigte sich am Ende auf einen Prozess, in dem UN-Mitgliedstaaten, Kreditgeber, Kreditnehmer, der Pariser Club, der IWF, die Weltbank, andere multilaterale Entwicklungsbanken, private Gläubiger sowie andere relevante Beteiligte Empfehlungen für eine Reform der Schuldenarchitektur aushandeln sollen. Das Ergebnis der FfD4 ist nicht bindend; ob verbindliche Prozesse daraus entstehen, wird ein Test sein, wie stark die Unterstützung für Multilateralismus ist.
Gegründet wurde in Sevilla ein Kreditnehmerforum, das sich an einem Vorbild aus den 1980er Jahren orientiert. Das muss nun weiterverfolgt werden – ebenso wie die Umsetzung der Grundsätze für verantwortliche Kreditvergabe, etwa informierte Entscheidungen und Transparenz. Vorgesehen sind auch eine Überprüfung der Schuldennachhaltigkeitsanalysen im IWF und eine globale Schulden-Datenbank in der Weltbank, die auch die Gläubiger von Staatsanleihen enthalten soll.
Schwache Aussagen zum Thema Schulden
Erleichterungen des Schuldendienstes für kritisch verschuldete Länder werden im Ergebnisdokument der FfD4 nicht erwähnt. Es enthält aber schwache Aussagen zum Thema Schulden. So sollten Schuldenswaps – damit werden Auslandsschulden in einheimische Ausgaben umgewandelt, etwa für Soziales oder Umweltschutz – im Rahmen der heutigen Finanzarchitektur stattfinden. Die hat aber erhebliche Lücken bei Transparenz, Beteiligung der begünstigten Bevölkerung und gibt Interessen privater Vermittler viel Gewicht. Das gemeinsame Rahmenwerk der G20 für den Umgang mit untragbaren Staatsschulden soll verbessert werden, obwohl es sich seit seiner Einführung 2020 als nicht geeignet erwiesen hat. Diese Vereinbarungen sind weit entfernt von Änderungen an der Schuldenarchitektur, um Schuldenkrisen zu verhindern oder zu lösen. Und die meisten Verfahren liegen weiter in den Händen von Weltbank und Weltwährungsfonds, in denen Länder mit höheren Einlagen Entscheidungen bestimmen.
Weitere wichtige Themen im Kompromiss von Sevilla sind die Regulierung der großen Ratingagenturen und Reformen ihrer Methode und Transparenz. Diskutiert wurde das während des gesamten Prozesses, weil Risikoprämien die Kapitalkosten für den Globalen Süden erhöhen; Lateinamerika etwa zahlt im Schnitt 2,5-mal höhere Zinsen für Staatsanleihen als die USA.
Aber Entwicklungsländer benötigen auch Zugang zu vergünstigter Finanzierung, um die Agenda 2030 und Klimaabkommen umzusetzen. Die FfD4 empfiehlt erneut, das Ziel zu erreichen, dass die Industrieländer 0,7 Prozent ihres Sozialprodukts für öffentliche Entwicklungshilfe aufwenden. Vor der Konferenz haben aber mehrere Länder diese Hilfe gekürzt. Unabhängig davon sind neue und innovative Finanzquellen dringend nötig. Sonderziehungsrechte des IWF können kurzfristiges Geld für Staatshaushalte und Devisenreserven bereitstellen, es ist aber entscheidend, operative Leitlinien für eine stärkere Rolle dieser Sonderziehungsrechte aufzustellen.
Das Ergebnisdokument der FfD4 fordert auch Schritte, um die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung mit mehr Messgrößen als nur dem Bruttosozialprodukt widerzugeben. Es wird entscheidend sein, hier Kriterien einzubeziehen, die die Verwundbarkeit von Ländern für Krisen und Umweltgefahren widerspiegeln, auch von solchen mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen wie denen Lateinamerikas und der Karibik.
Versuche, nach der vorigen Konferenz (FfD3) in Addis Abeba mit Milliarden öffentlicher Mittel Billionen an privatem Geld zu mobilisieren, haben in zehn Jahren nicht die erwarteten Ergebnisse geliefert. Das Dokument von Sevilla besteht dennoch darauf, private Finanzierung für Entwicklung zu fördern, indem ihre Risiken vermindert werden. Da ist Vorsicht geboten. Die Risikoteilung muss ausgewogen sein: Die öffentlichen Haushalte in Entwicklungsländern sollten vor Risiken geschützt werden, die aus Garantien für private Investoren entstehen, wenn Projekte scheitern.
Im Bereich Besteuerung ermutigt die FfD4 zur Teilnahme an den Verhandlungen über ein UN-Steuerabkommen, zur Besteuerung sehr vermögender Personen und zur Förderung progressiver Steuersysteme. Illegale Finanzströme und Steuermissbrauch zu beenden, ist aber eine Aufgabe, die es nach wie vor noch zu bewältigen gilt.
Die heutige Krise und ihre Auswirkungen auf besonders gefährdete Menschen erfordern, die in Sevilla getroffenen Vereinbarungen sofort umzusetzen und ehrgeizig darüber hinauszugehen und systemische Reformen anzugehen. Wichtige Kräfte, die dazu Vorschläge einbringen, die Realität vor Ort darstellen und für Rechenschaft eintreten, sind Organisationen der Zivilgesellschaft. Sie haben in Sevilla ihr Recht auf Mitsprache und auf Beteiligung am Folgeprozess eingefordert. Sie verlangten wirtschaftliche Gerechtigkeit und den politischen Willen zu ambitionierten Vereinbarungen, die den Menschenrechten und dem Leben der nächsten Generationen und des Planeten Vorrang geben.
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