Querbeet den Rotstift angesetzt

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Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (links) besucht Anfang November am Rande der UN-Klimakonferenz COP 30 im brasilianischen Belém Kakaoproduzenten. Zu Hause in Berlin muss sie nächstes Jahr mit deutlich weniger Geld für ihr Ressort auskommen.
Haushalt
Das Entwicklungsministerium (BMZ) muss auch im nächsten Jahr mit weniger Geld auskommen. Während bei Posten wie der Ernährungssicherung und dem Wiederaufbau nach Krisen teils deutlich gespart wird, gibt es für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sogar mehr.

Der Bundestag hat am Mittwoch einen BMZ-Etat von 10,056 Milliarden Euro beschlossen, was einem Minus von etwa 250 Millionen Euro zum Vorjahr entspricht (2025: 10,31 Milliarden). SPD-Ministerin Reem Alabali Radovan betonte in der Haushaltsdebatte, Deutschland werde trotz der vierten Kürzung in Folge seiner internationalen Verantwortung gerecht. Wohl bräuchte es mehr Mittel angesichts der vielen Krisen in der Welt. Dennoch zeige der Etat 2026, dass auf Deutschland Verlass sei. Gerade jetzt wolle sie Partnerschaften ausbauen, „denn die Beziehungen zu Ländern des globalen Südens werden zukünftig mehr über Deutschlands Rolle in der Welt entscheiden“.

Während die Ministerin im Parlament auf neue Finanzzusagen bei der Weltklimakonferenz in Belém verwies, hatte sie am Vortag bei einer Konferenz eingeräumt, sie habe bei den beiden Etats seit dem Regierungswechsel unter hohem Zeitdruck mehr oder weniger querbeet den Rotstift angesetzt. Für 2027 und danach sollten die Ausgaben aber wieder strategisch geplant werden – gemäß neuen Prioritäten der für die nahe Zukunft angekündigten Reform im Haus. 

Darin soll sich der von Schwarz-Rot vereinbarte stärkere Fokus auf den wirtschaftlichen Nutzen von Entwicklungszusammenarbeit konkretisieren. Zugleich betonte Alabali Radovan im Plenum die Grundwerte ihrer Arbeit und verwies auf Projekte für Schulspeisungen in Malawi und Jemen oder zur gesunden Entwicklung von Kleinkindern im Sudan. „Davon brauchen wir noch viel mehr“, sagte die Ministerin. Der Kampf gegen Hunger und Armut bleibe das Herz deutscher Entwicklungspolitik. 

Die Schwelle von zehn Milliarden Euro wird nicht gerissen

Trotz heftiger Kritik von Entwicklungsorganisationen und Hilfswerken muss das BMZ wie 2025 auch im nächsten Jahr verglichen mit anderen Ressorts überproportional zur Konsolidierung des Bundesetats beitragen. Nur dank Nachverhandlungen der Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss wurden dem Finanzministerium zusätzliche 111 Millionen Euro abgerungen. Damit reißt der BMZ-Etat – anders als im Entwurf vorgesehen – zumindest nicht die Schwelle von zehn Milliarden Euro. Doch stehen 2,4 Prozent weniger als im Vorjahr zur Verfügung, zehn Prozent weniger als 2024, und 17 Prozent weniger als 2023, betont der entwicklungspolitische Dachverband Venro. Der Anteil des BMZ am Gesamthaushalt liege mit 1,93 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren, der Anteil der humanitären Hilfe – sie stagniert bei einer Milliarde Euro – liege mit unter 0,2 Prozent am Haushalt so niedrig wie nie seit einem Jahrzehnt.

Kürzertreten wird das BMZ in der bilateralen Zusammenarbeit mit Ländern, für die es nächstes Jahr mit 4,85 Milliarden Euro 200 Millionen Euro weniger hat als 2025. Demgegenüber steigen die Beiträge an multilaterale Entwicklungsbanken von 995 Millionen 2025 auf 1,22 Milliarden Euro 2026 – etwas mehr als 2024. 136 Millionen Euro weniger gibt es für BMZ-Sonderinitiativen etwa zur nachhaltigen Transformation von Ernährungssystemen und für gute Beschäftigung in Afrika. Der Rotstift wurde auch beim Titel „Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur“, besser bekannt als Übergangshilfe, angesetzt: Immerhin konnte das im Entwurf vorgesehene Minus von 26 Millionen Euro in Nachverhandlung im Parlament auf elf Millionen reduziert werden, wie der SPD-Berichterstatter für den Haushalt, Felix Döring, im Plenum betonte. Damit stehen dem BMZ für die Übergangshilfe nächstes Jahr 710 Millionen Euro zur Verfügung. 

Um rund 180 Millionen Euro sollten nach dem Willen der Regierung die Mittel für die europäische Entwicklungszusammenarbeit sowie für UN-Organisationen und andere multilaterale Einrichtungen schrumpfen. Laut Döring konnten aber im Bundestag für die UN 14,8 Millionen Euro draufgesattelt werden, davon fünf Millionen für das Kinderhilfswerk UNICEF, knapp vier Millionen für UN Women und vier Millionen für die Initiative zur Bekämpfung von Polio (GPEI). Für das UN-Welternährungsprogramm, das seit 2022 rund 70 Prozent weniger erhält, holten die Haushälter zwölf Millionen Euro mehr als von der Regierung geplant heraus; es bekommt jetzt 40 Millionen Euro. Der Beitrag zum Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hingegen sinkt um 82 Millionen auf 288 Millionen Euro, zugesagt bleibt aber eine Milliarde Euro über drei Jahre. 

Die Kirchen bekommen fast so viel wie 2025

Kürzungen abfedern konnte der Bundestag auch bei Ausgaben für politische Stiftungen (300 Millionen Euro Regierungsentwurf plus 74,5 Millionen nach Parlamentsbeschluss) sowie für die Partnerschaft mit der Wirtschaft (149 Millionen plus 13,2 Millionen), die damit sogar mehr erhält als 2025. Auch bei den Mitteln für zivilgesellschaftliches Engagement fällt der Sinkflug etwas weniger steil aus: Zu geplanten 284 Millionen Euro für Vorhaben der Kirchen sattelten die Parlamentarier elf Millionen Euro drauf, womit die kirchlichen Werke etwa so viel erhalten wie 2025. Für private Trägerorganisationen kamen zu geplanten 192 Millionen noch 4,4 Millionen Euro dazu – was insgesamt trotzdem weniger ist als 2025 (200 Millionen).

Im September hatte die SPD-Entwicklungspolitikerin Sanae Abdi noch gewarnt, mit dem Regierungsentwurf sei „eine Schmerzgrenze erreicht“, so blieb derartige Kritik am Ende aus. Sie und ihr Parteikollege Felix Döring betonten, wie wichtig die nachverhandelten Millionen für den Schutz bedrohter Menschenleben seien. Dagegen richteten Unionspolitiker mehrfach das Augenmerk auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die 2027 stärker institutionalisiert werden müsse und für die durchaus noch mehr Geld bereitgestellt werden könne. Werte mit eigenen Interessen zu verbinden, sei „kein Widerspruch“, sagte Andreas Jung (CDU). Ohne strategische Rohstoffpartnerschaften mit Afrika stünden in der Autoindustrie oder der Medizintechnik die Bänder still. Sein Fraktionskollege Philip Hoffmann betonte, die Entwicklungspolitik brauche mehr Akzeptanz, Ausgaben müssten transparenter und der wirtschaftliche Mehrwert erkennbarer werden. 

Solche Aussagen stehen beispielhaft dafür, wie defensiv Entwicklungspolitik im Lichte ständiger Frontalangriffe der AfD, die BMZ-Ausgaben zugunsten heimischer Bedarfe ganz abzuschaffen, inzwischen gerechtfertigt wird. Nur die Grüne Jamila Schäfer wandte sich offen gegen die „Diffamierung“ der Entwicklungszusammenarbeit: Diese sei eines der effektivsten klima-, außen- und sicherheitspolitischen Instrumente in einem. Angesichts der chronischen Unterfinanzierung – besonders von Übergangshilfe und nun auch von ziviler Hilfe an die Ukraine – seien die Korrekturen im Bundestag „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Auch Claudia Roth (Grüne) kritisierte „eine gefährliche Abwärtsspirale“, und der Linken-Politiker Sascha Wagner wertete den BMZ-Etat anders als Ministerin Alabali Radovan als Zeichen dafür, dass Deutschland sich aus Verlässlichkeit und globaler Verantwortung davonstehle. 

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