Hilfsorganisationen mahnen, nicht bei den Ärmsten zu sparen

Die Ministerin und der Leiter der Ausbildungsstätte begutachten Maispflanzen.
picture alliance / Ute Grabowsky/BMZ/photothek.de/Ute Grabowsky
Die frühere Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze besucht im März 2024 die agrarökologische Ausbildungsstätte Centre Beo-Noree in Beo-Noree in Burkina Faso und lässt sich von deren Leiter Abdoul Razal Belemgnegre alles zeigen.
Entwicklungspolitik
In ihrem diesjährigen Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung fordern Terre des Hommes und die Welthungerhilfe, die Hilfe auf die ärmsten Länder zu fokussieren und geplante Kürzungen bei der Ernährungssicherung zurückzunehmen.

Der Bedarf für und die Dringlichkeit von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe haben sich weiter vergrößert, stellen die beiden Hilfsorganisationen fest. Die Welt erlebe eine Rekordzahl von Kriegen, die Armut und Hunger schüren, die globale Entwicklungsfinanzierung hingegen schrumpfe stark. Diese Lage sollte Anlass sein, die Zusammenarbeit stärker zu fokussieren, heißt es im Bericht „Kompass 2025“. Eine gerechtere Welt und gleichberechtigte Partnerschaften mit den Ländern des globalen Südens müssten weiter das Ziel bleiben.

Als Beispiel nannte der Vorstandssprecher von Terre des Hommes, Joshua Hofert, dass inzwischen 500 Millionen Kindern in Krisengebieten lebten, etwa in Gaza oder im Sudan. Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, erläuterte bei der Vorstellung des Berichts an einem Projekt zur Saatgutverteilung in der Zentralafrikanischen Republik, dass benachteiligte Familien nicht aussäen können, weil die USA ihre Hilfsgelder gestoppt haben. Auch die langfristig geplante Saatgutvermehrung breche weg, der Hunger nehme zu, sagte Mogge. In der Not verkauften Haushalte dann Vieh und Arbeitsgeräte, Kinder müssten arbeiten und könnten nicht mehr zur Schule gehen, die Mahlzeiten würden kleiner oder weniger. 

Nicht bei der Ernährungssicherheit sparen

Terre des Hommes und die Welthungerhilfe fordern, vorrangig solche Kürzungen im deutschen Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit zurückzunehmen, die Ernährungssicherheit und ländliche Entwicklung betreffen. Die Mittel dafür seien 2023 um ein Drittel gekürzt worden und hätten 2024 bei 2,38 Milliarden Euro stagniert. Unter anderem seien Gelder für die Initiative „Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme“ des Entwicklungsministeriums (BMZ) drastisch reduziert worden. Der BMZ-Titel „Krisenbewältigung, Wiederaufbau, Infrastruktur“ für fragile Länder, der einen hohen Anteil der Ausgaben für Ernährungssicherung ausmache, würde seit 2023 um 45 Prozent sinken, wenn das Planziel dieses Jahr 645 Millionen Euro bleibt

„Kompass 2025“ verweist auf das Bekenntnis im Koalitionsvertrag, die schwarz-rote Regierung wolle etwas gegen Hunger, Armut und Ungleichheit tun. Der Bericht fordert die Koalitionäre entsprechend auf, eine Strategie für einen wirksamen Beitrag zur globalen Ernährungssicherung vorzulegen – auch wenn die Koalition die Entwicklungszusammenarbeit stärker auf wirtschaftliche Eigeninteressen ausrichten wolle. Deutschland könne etwa die G20-Initiative einer Globalen Allianz gegen Hunger und Armut und die Kampala-Agenda der Afrikanischen Union für nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme unterstützen.

Mehr Investitionen in Krisenprävention und Friedensförderung

Der Bericht empfiehlt der Bundesregierung außerdem, eine Führungsrolle in der Friedenspolitik einzunehmen. Humanitäre Hilfe sei unerlässlich, um Leben zu retten, betonte Hofert, aber um den Teufelskreis zunehmender Krisen zu durchbrechen, müssten die Ursachen angegangen werden. Das erfordere umfangreichere Investitionen nicht nur in die Konfliktbewältigung und die Stabilisierung, sondern auch in Krisenprävention und Friedensförderung. Die Bundesmittel hierfür seien auf dem zweitniedrigsten Stand in zwei Jahrzehnten. 

„Kompass 2025“ fordert weiter, das Entwicklungsengagement auf die ärmsten Länder – Least Developed Countries (LDCs) – zu konzentrieren, vor allem auf vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder und Jugendliche. Der Großteil dieser insgesamt 38 Länder liegt in Afrika; sie sind am stärksten abhängig von Entwicklungshilfe (ODA), in Burundi etwa hat sie einen Anteil von 24 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Koalitionsvertrag fehle das bisherige – wenn auch unerfüllte – Ziel deutscher Entwicklungszusammenarbeit, 0,2 Prozent der ODA für die ärmsten Länder aufzuwenden.

Terre des Hommes und die Welthungerhilfe fürchten, dass infolge der Haushaltsberatungen 2025 und 2026 eine weitere Senkung der ODA zu erwarten ist. Diese war 2024 erstmals in fünf Jahren unter die internationale Zielmarke von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens gesunken. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) habe sich zwar klar zur Bedeutung des Politikfelds bekannt, die Nagelprobe stehe aber nun bevor, hieß es bei der Vorstellung des Berichts. 

Noch sei Zeit, Fehlentwicklungen zu korrigieren, mahnte Mogge. So sollen laut Haushaltsentwurf für 2025 die Förderlinie für Krisenbewältigung um 40 Prozent reduziert und die humanitäre Hilfe halbiert werden. Reformbedarf sei unbestritten, doch müssten Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe bei der Durchführung dann auch stärker auf lokale Kräfte setzen, betonte der Generalsekretär der Welthungerhilfe. 

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