Wegen einer Frau an der Spitze droht die Spaltung der Kirchen

Sarah Mullally bei einem Gottesdienst in Kent am 3. Oktober 2025.
picture alliance / empics/Gareth Fuller
Sarah Mullally, hier bei einem Gottesdienst in Kent am 3. Oktober, soll als erste Frau überhaupt die Church of England anführen. In Ruanda wird das von den dortigen Erzbischöfen heftig kritisiert. Es droht sogar eine Spaltung der Kirchengemeinschaft.
Anglikanische Weltgemeinschaft
Der Streit um die Sexualethik droht die anglikanische Weltgemeinschaft zu spalten. Der Auslöser ist, dass eine als liberal bekannte Bischöfin Oberhaupt der Church of England und damit der Anglikaner weltweit werden soll.

Für Erzbischof Laurent Mbanda aus Ruanda ist die Sache klar: Die Spaltung der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft ist längst eine Tatsache. Verantwortlich macht er jene anglikanischen Kirchen, die Frauen und Homosexuelle in geistlichen Ämtern zulassen. Das verstoße gegen das Wort Gottes, welches in der Bibel für alle Zeiten festgeschrieben stehe, schreibt Mbanda Mitte Oktober in seiner Funktion als Vorsitzender der Global Anglican Future Conference (GAFCON), einer Bewegung innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft, die sich seit Jahren kritisch gegenüber liberalen sexualethischen Positionen in anderen anglikanischen Kirchen äußert. „Der Neustart unserer geliebten Gemeinschaft liegt nun ausschließlich in den Händen von GAFCON. Wir sind bereit, die Führung zu übernehmen“, heißt es da. Man wolle die anglikanische Welt neu ordnen. Künftig werde der wahre Anglikanismus von der Global Anglican Communion vertreten und nicht mehr von der Anglican Communion.

Die Kirchen, die hierzu gehören wollen, müssen laut Erzbischof Mbanda aus ihren Satzungen den Bezug auf das bisherige geistliche Oberhaupt der anglikanischen Gemeinschaft und ihre Mutterkirche streichen: den Erzbischof von Canterbury und die Church of England. Sie dürften nicht mehr an Treffen teilnehmen, die der Erzbischof von Canterbury einberuft, und kein Geld mehr von dem anglikanischen Rat annehmen, über den die weltweite Arbeit der Konfessionsgemeinschaft bisher finanziert wird. Während GAFCON noch nicht endgültig mit der Church of England gebrochen hat, wäre die Global Anglican Communion die echte Abspaltung – aber nur, wenn sich anglikanische Kirchen von der Mutterkirche lossagen. 

Die Erklärung Mbandas ist eine Reaktion darauf, dass Anfang Oktober Sarah Mullally, die Bischöfin von London, zur Nachfolgerin des bisherigen Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, ernannt wurde. An dieses Amt ist die Führung der Church of England geknüpft, der Mutterkirche aller 42 anglikanischen Kirchen, die im britischen Kolonialreich weltweit gegründet wurden. Alle zehn Jahre treffen diese Kirchen sich zur sogenannten Lambeth Conference, um über Grundfragen der anglikanischen Gemeinschaft zu beraten. 

Frau in einem geistlichen Amt ist ein rotes Tuch

Dort hat sich bereits 1998 abgezeichnet, dass vor allem Kirchen aus dem globalen Süden bei Fragen zur Frauenordination und bei der Segnung von Homosexuellen nicht mehr mitgehen wollen. Zehn Jahre später blieben sie der Lambeth Conference dann fern, gründeten die GAFCON und trafen sich in Jerusalem, „um darauf zu reagieren, dass einige der ranghöchsten Führer der Anglikanischen Gemeinschaft die Heiligen Schriften verlassen haben, und um für deren Umkehr zu beten“, schreibt Mbanda in dem jetzigen Statement. Weil diese Umkehr nicht stattgefunden habe, sei man jetzt einen Schritt weitergangen, um den bibeltreuen Anglikanern eine Zukunft zu geben. 

Die Londoner Bischöfin Mullally ist für ihre liberale Haltung in sexualethischen Fragen bekannt. Damit ist sie nicht nur als Frau in einem geistlichen Amt ein rotes Tuch für die konservative GAFCON-Führung, sondern gehört auch zu denen, die aus Sicht von GAFCON bewusst die Anglikaner spalten und „die Sünde feiern, indem sie falsche Hirten ernennen, um ihre Herde von Gottes gutem Wort wegzuführen“ – so ein anderes Statement von Mitte September. 

Manche wollen die Gemeinschaft nicht zerbrechen lassen

Ob sich die Global Anglican Communion tatsächlich als führende anglikanische Weltgemeinschaft etabliert, ist allerdings fraglich. Bisher hat noch keine anglikanische Kirche ihre Satzung geändert und der Church of England die Rolle als Mutterkirche entzogen. Zudem fehlt es GAFCON an festen Strukturen. Das Bündnis hat nicht einmal ein eigenes Büro wie die anglikanische Gemeinschaft in Canterbury. Und nicht alle Kirchen aus dem globalen Süden dürften diesen Schritt mitgehen wollen. Die Global South Fellowship of Anglican Churches (GSFA), zu der zwölf Kirchen aus Asien, Lateinamerika und Afrika gehören, hat sich bereits gegen die Spaltung ausgesprochen. Man wolle über dieser Frage die Kirchengemeinschaft nicht zerbrechen lassen.

Ende März 2026 wird Mullally offiziell in ihr Amt als Erzbischöfin von Canterbury und damit als geistliches Oberhaupt der Church of England eingeführt. Dann ist sie automatisch auch Ehrenprimas der Anglikanischen Gemeinschaft. Auch unter Justin Welby ist immer wieder diskutiert worden, ob diese Tradition aus kolonialer Zeit noch zeitgemäß ist. GAFCON hat jedenfalls für Anfang März zu einem Treffen nach Abuja eingeladen. Ein genaues Programm dafür gibt es noch nicht. Bisher heißt es lediglich, man komme zum Gebet zusammen, um Gott um Weisheit zu bitten für die Zukunft seiner Kirche.  

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Schiff aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Dies ist keine Paywall.
Aber Geld brauchen wir schon:
Unseren Journalismus, der vernachlässigte Themen und Sichtweisen aus dem globalen Süden aufgreift, gibt es nicht für lau. Wir brauchen dafür Ihre Unterstützung – schon 3 Euro im Monat helfen!
Ja, ich unterstütze die Arbeit von welt-sichten mit einem freiwilligen Beitrag.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!