Neue Geber nicht in Sicht

picture alliance / Anadolu/Hamza Z. H. Qraiqea
IKRK-Mitarbeiter Anfang Dezember im Einsatz in Gaza.
Budgetkürzungen beim IKRK
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz muss sparen und nächstes Jahr Tausende Stellen streichen. Die westlichen Länder haben ihre Beiträge stark reduziert, und der Versuch, neue Geldquellen zu erschließen, war bislang wenig erfolgreich.

Der Rückgang staatlicher Unterstützung für die humanitäre Hilfe macht auch vor einer der ältesten nichtstaatlichen Hilfsorganisationen nicht Halt: Ende November hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) angekündigt, im kommenden Jahr rund 2900 Stellen zu streichen. Das Budget der Organisation für 2026 beträgt 1,8 Milliarden Schweizer Franken – 17 Prozent weniger als im Vorjahr.

Der Rückgang sei das Resultat von „Instabilität und Unvorhersehbarkeit in der Finanzierung humanitärer Hilfe“, sagte IKRK-Generaldirektor Pierre Krähenbühl gegenüber der Westschweizer Zeitung „Le Temps“. Unter den Ländern, die ihre Spenden für das IKRK dieses Jahr zurückgefahren haben, sind insbesondere die USA – traditionell der wichtigste Geldgeber der Organisation – sowie Deutschland und Großbritannien. Die Beiträge von Regierungen und der Europäischen Union haben im Jahr 2024 zusammen noch 90 Prozent des IKRK-Budgets ausgemacht.

Aus dem IKRK heißt es, angesichts der Kürzungen bestehe die Priorität kommendes Jahr darin, in den drängendsten Konfliktgebieten weltweit die Arbeit fortzusetzen, etwa im Sudan, in Gaza, in der Ukraine oder der Demokratischen Republik Kongo. „Die finanzielle Realität zwingt uns zu schwierigen Entscheidungen“, schreibt IKRK-Sprecher Christian Cardon auf Anfrage. Es gelte eine schlankere, effizientere Organisation zu schaffen. Dies sei notwendig, um in der Lage zu bleiben, „schnell zu reagieren, wenn neue Konflikte ausbrechen oder eskalieren“.

Zehn Jahre lang ist das IKRK gewachsen

Die Budgetkürzungen reflektieren einerseits die Weltlage, in der die Hauptunterstützer des humanitären Systems – die westlichen Staaten – seit Ausbruch der russischen Invasion in der Ukraine vor allem in Sicherheit und Verteidigung investieren und gleichzeitig bei der humanitären Hilfe stark kürzen. Andererseits gehen die Kürzungen auch einher mit einer neuen Phase in der Arbeit der Organisation selbst.

Über rund zehn Jahre hinweg, vor allem unter der Präsidentschaft Peter Maurers ab 2012, sei das IKRK als Organisation stark gewachsen, sagt David Forsythe, Professor an der US-Universität Nebraska-Lincoln, der mehrere Bücher über das IKRK geschrieben hat. In der Folge habe die Organisation, deren Mandat insbesondere den Schutz von Kriegsgefangenen und zivilen Opfern in Gewaltkonflikten umfasst, ihre Arbeit ausgeweitet: „Das IKRK half beispielsweise Menschen in Syrien, wo der Krieg abgeflaut war, kleine Geschäfte oder Bäckereien aufzubauen“, sagt Forsythe. Das sei Hilfsarbeit, die in dieser Form auch von anderen UN-Organisationen oder NGOs gemacht werde. Oder es habe sich für Migranten eingesetzt, die in Libyen in Haft saßen – „obwohl Wirtschaftsmigranten keine politischen Gefangenen sind“, so Forsythe.

Unter neuer Leitung präsentiert sich das Rote Kreuz neu

Unter der neuen Präsidentin Mirjana Spoljaric präsentiere sich das IKRK öffentlich neu. Während es unter Peter Maurer noch auf Wachstum gesetzt und seine Aktivitäten ausgeweitet habe, betone Spoljaric wieder verstärkt die Kernaufgaben des IKRK und weise auf die Wichtigkeit der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht hin. Dies hänge auch mit der geopolitischen Lage zusammen, sagt Forsythe: „Wir beobachten derzeit, wie zahlreiche Staaten, darunter etwa die USA und Russland, immer weniger Respekt vor dem internationalen Recht haben.“

Forsythe sieht aber nicht, dass das IKRK angesichts der Budgetkürzungen seinen Kurs grundsätzlich ändert. Einzelne Programme würden zwar gestrichen, aber offenbar versuche die Organisation darauf zu achten, nicht ganze Gruppen von der Unterstützung auszuschließen.

Zugleich versuche das IKRK schon seit mehreren Jahren, alternative Geldgeber zu den traditionellen Unterstützern zu finden. Doch sowohl Peter Maurers Versuch, mit seiner Mitgliedschaft im Stiftungsrat des Weltwirtschaftsforums WEF in Davos private Firmen zu mobilisieren, als auch der Versuch von ihm und seiner Nachfolgerin, Staaten wie Saudi-Arabien oder China als Geldgeber zu gewinnen, waren wenig erfolgreich. Auf das IKRK kommen nach Ansicht von Forsythe „vermutlich schwierige Zeiten“ zu.

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