Alte Initiative statt neuer Impulse aus Berlin

Zwei Frauen sprechen auf einer internationalen Konferenz miteinander.
picture alliance/BMZ/photothek/Thomas Koehler
Suche nach neuem Geld: Die Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (rechts) und ihre Staatssekretärin Barbara Kofler auf der 4. Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla im Juli 2025.
Entwicklungsfinanzierung
Bei der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla hat die Bundesregierung die zehn Jahre alte Addis Tax Initiative hervorgeholt, um die Einnahmen ärmerer Länder zu steigern. Kritiker fordern vor allem eine Steuerrahmenkonvention.

Angesichts der Abkehr der USA von der Entwicklungszusammenarbeit bekommt Deutschland als Gebernation größeres Gewicht. Statt neuer Impulse aber stellte SPD-Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan bei der gerade beendeten UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla (FfD4) ein Instrument in den Vordergrund, das vor zehn Jahren ihr CSU-Vorgänger Gerd Müller eingeführt hat: die bei der Finanzierungskonferenz von Addis Abeba 2015 mit Großbritannien, den USA und den Niederlanden gestartete Addis Tax Initiative (ATI).  

Sie soll die Einnahmen ärmerer Länder dadurch steigern, dass deren Steuerbehörden gestärkt werden. In Partnerländern wie Ghana oder Guatemala unterstützen Gremien wie Weltbank, der IWF und die OECD den Ausbau von Verwaltungen und die Ausbildung von Finanzbeamten. Die ATI-Partnerländer verpflichten sich zu einer sozial gerechten und transparenten Steuerpolitik, damit zusätzliche Einnahmen stärker in nachhaltige Entwicklung fließen, etwa für Bildung und Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung. Wie erfolgreich die Initiative bislang war, lässt sich nicht eindeutig sagen. Eine Zwischenbewertung 2020   fiel gemischt aus und forderte mehr Qualität als Quantität.  

Wirkt die Hilfe für Steuerbehörden?

In Sevilla hob nun Staatssekretärin Bärbel Kofler hervor, es sei wichtig, dass Steuersysteme progressiv seien, also höhere Einkommen höher belasten. Um Staatseinnahmen zu steigern, sei die ATI zu einem Markenzeichen geworden, weil sie Vertreter von Nord und Süd für politische Weichenstellungen gleichberechtigt zusammenbringe, erläutert das BMZ auf Nachfrage. Solche Formate lieferten den politischen Rahmen für Kapazitätsaufbau und für den Erfahrungsaustausch, wie viel Einnahmen wegen Steuerlücken oder  -nachlässe verloren gehen. Durch Subventionen, Steuerabschläge oder Steuerbefreiungen verzichten laut einer IDOS-Studie Regierungen weltweit im Schnitt auf etwa ein Viertel ihrer Steuereinnahmen. Auch im Kampf gegen Steuervermeidung internationaler Konzerne hat sich laut BMZ die ATI bewährt, der Informationsaustausch zwischen Mitgliedern habe sich seit 2020 „erheblich intensiviert“. 

Dass die ATI erfolgreich sei, macht das Ministerium auch daran fest, dass der Teilnehmerkreis in zehn Jahren von 19 auf 33 Länder  gestiegen sei. Die Frage, inwieweit diese Länder auch höhere Steuereinnahmen verzeichnen, lässt das Ministerium jedoch unbeantwortet und verweist stattdessen darauf, dass 14 von 20 ATI-Ländern bis 2022 ihre Steuerquote – den Anteil gezahlter Steuern am Bruttoinlandsprodukt – erhöht hätten.  

Ablenkung von unfairen globalen Regeln

Entwicklungsfachleute betrachten das Engagement der Entwicklungsministerin für die Steuerinitiative eher als Nebenschauplatz. So erinnert Bodo Ellmers vom Global Policy Forum Europe daran, dass in Addis Abeba 2015 die OECD-Länder ein zwischenstaatliches Gremium zu Steuerfragen der Vereinten Nationen blockiert haben. „Viele haben die ATI als ein Ablenkungsmanöver gesehen“, sagt Ellmers. Statt den Entwicklungsländern bei der internationalen Steuerkooperation entgegenzukommen, habe man eine Initiative zum Kapazitätsaufbau aufgesetzt. „Allerdings kann Capacity Development keineswegs fairere internationale Regeln ersetzen.“ Die ATI sei da allenfalls komplementär von Nutzen. 

Auch Klaus Schilder vom Hilfswerk Misereor sieht ATI als eine von vielen freiwilligen Initiativen unter dem Dach der soeben in Sevilla verabschiedeten „Aktionsplattform“ und als Fortsetzung bestehender EZ-Programme. „So wichtig solche Vorreiterinitiativen im Bereich progressiver Steuersysteme sind, so wichtig wäre es, wenn die Bundesregierung aktiv und ambitioniert multilaterale Beschlüsse zu mehr Steuerkooperation jenseits der OECD unterstützen würde“, sagt Schilder. Konkret nennt er eine global koordinierte Besteuerung von Superreichen und die Einführung einer UN-Steuerrahmenkonvention. „Das würde wesentlich mehr zur Mobilisierung heimischer Mittel im Globalen Süden beitragen.“  

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Im UN-Prozess zur Schaffung einer Steuerrahmenkonvention gibt es im August eine erste Verhandlungsrunde. Erfreut haben Vertreter der Zivilgesellschaft in Sevilla notiert, dass sich die neue deutsche Ministerin in Andalusien klar zur Stärkung des Multilateralismus bekannt habe. Das Entwicklungsministerium betont, die Bundesregierung setze sich durchaus für eine gerechtere internationale Verteilung von Besteuerungsrechten ein – etwa gegenüber transnationalen Firmen in der OECD, mit Blick auf Hochvermögende in der G20 und durch „die konstruktive Mitarbeit an den Verhandlungen über eine UN-Steuerkonvention“.

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