Liebe Leserinnen und Leser,
Karl Marx hat behauptet, wenn sich Geschichte wiederholt, sei es das erste Mal als Tragödie und das zweite Mal als Farce. Die USA sind dabei, ihn hier zu widerlegen: Die zweite Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident ist zu ernst für eine Farce, sie dürfte schlimmere Folgen haben als die erste – zum Beispiel für den Klima- und Umweltschutz, für weltweite Kriegsbeilegung, für Flüchtlinge, aber auch für Minderheiten in den USA. Insofern können Pallavi Payal und Sapana Sanjeevani froh sein, nicht in den USA zu leben: Die beiden nepalesischen Künstlerinnen haben einen traditionellen Malstil feministisch gewendet, sie bilden homosexuelle Liebe ab und prangern Diskriminierung und Ungerechtigkeit an. Bibek Bhandari stellt die beiden rebellischen Geister, ihre Kunst und ihre Wirkung in Nepal vor – ein Beitrag zum Schwerpunkt „Vorsicht Subkultur!“ in unserem neuen Heft. Beide dürften es unter der Regierung des Frauenfeinds Donald Trump schwerer haben als im armen Nepal. Aber auch die Regierung Trump wird Subkulturen und aufmüpfige Geister in den USA nicht totkriegen.
Lassen Sie sich inspirieren,
An manchen Tagen bündeln sich Widersprüche und Abstrusitäten der Zeit wie in einem Brennglas. Gestern war für mich so ein Tag: Beim Frühstück höre ich vom Wahlergebnis in den USA, wo offenbar eine Mehrheit der Bevölkerung einem selbstverliebten Superreichen zutraut, sie vor Migranten, Kriminalität, Klimaschutz, der Abwanderung von Fabriken oder der Enttabuisierung von Homosexualität zu bewahren – also vor Folgen jener globalen und kulturellen Umbrüche, die die USA maßgeblich mit in Gang gesetzt haben. Dann eile ich nach Bonn ins entwicklungspolitische Forschungsinstitut IDOS zu einer Konferenz über „Entwicklung jenseits von Wachstum“. Dort erklären Fachleute aus Nord und Süd, warum die Steigerung des Bruttosozialprodukts nicht mehr das Hauptziel sein darf und das Projekt „grünes Wachstum“ im globalen Norden koloniale Züge trägt; es soll mit technischen Scheinlösungen darüber hinwegtäuschen, dass der Energie- und Rohstoffverbrauch verringert werden muss, will man die planetaren Grenzen einhalten. Spät am Abend höre ich dann, wieder zu Haus, wie die Spitzen der Ampelkoalition ihre Scheidung begründen – alle drei erklären es dabei zur Schicksalsfrage für Deutschland, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. Sie und auch die Opposition streiten nur, wer dafür zahlt und ob das Wachstum mehr oder weniger grün sein soll. Mich beschleicht das Gefühl, im falschen Film zu sein. Was soll man da vom UN-Klimagipfel erwarten, der kommende Woche in Aserbaidschan beginnt? Ganz oben auf dessen Tagesordnung steht, wie viel Klimahilfen arme und verwundbare Länder erhalten. Die USA werden jetzt kaum nennenswert zusätzliches Geld zusagen und die Bundesregierung mangels Bundeshaushalt auch nicht. Es wäre erstaunlich, wenn die Konferenz unter diesen Umständen Fortschritte beim Klimaschutz zustande brächte. Heute früh schließlich meldet der EU-Erdbeobachtungsdienst Copernicus, dass die Erderwärmung in diesem Jahr sehr wahrscheinlich die Schwelle von 1,5 Grad überschreiten wird. Das heißt nicht, dass Klimaschutz jetzt zwecklos wäre – es gilt vielmehr, sich von Illusionen zu verabschieden, aber alles zu tun, was man noch kann.
Zehn Jahre Textilbündnis zeigt Erfolge nur in Einzelfällen: Lieferketten ohne Ausbeutung von Mensch und Natur – das war das Ziel zum Start des Bündnisses für nachhaltige Textilien im Jahr 2014. Das Entwicklungsministerium würdigt die Errungenschaften, anderen ist weniger zum Feiern, wie Marina Zapf erfahren hat.
Rohstoffe fürs Ländle: Wie kann Baden-Württemberg seinen Verbrauch an Rohstoffen global nachhaltig gestalten? Der Rat für Entwicklungszusammenarbeit des Landes will zu dieser Frage die Landesregierung, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft ins Gespräch bringen. Claudia Mende berichtet.
Demokratie, Oligarchie, Autokratie, etwas dazwischen? Nach dem Wahlsieg Trumps lohnt ein Blick auf unsere neue Themenseite "Demokratie und Autokratie". Hier dröseln wir auf, an welchen Merkmalen Demokratie gemessen wird, und eine Weltkarte zeigt, dass weltweit und vor allem im globalen Süden die Zahl der Autokratien zunimmt. Leider ein schlechter Trend!
Nachbarschaftshilfe im Krieg: Wo zwischen Trümmern und Gefechten im Sudan keine internationale Hilfe ankommt, sind die "Emergency Response Rooms" ein Rettungsanker. Die ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfen sorgen für weit mehr als die eine warme Mahlzeit am Tag, berichtet Birte Mensing.
Politik mit dem Feuer: Im Tiefland Boliviens haben dieses Jahr mehr Wald- und Savannenflächen gebrannt als je zuvor. Die Regierung lässt neues Agrarland erschließen – oft auf Kosten von Indigenen und Naturschutzgebieten, schreibt Peter Strack.
Feier in unfriedlicher Lage: Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat den Zivilen Friedensdienst zu seinem 25-jährigen Bestehen gewürdigt. Wie der zustande gebracht wurde und wo Fachleute und Praktiker seine Möglichkeiten, Grenzen und Mängel sehen, habe ich vor zehn Jahren aufgeschrieben.
Empfehlungen an die UN: Das Militär verliert in Myanmar die Kontrolle über immer mehr Gebiete und hinterlässt verbrannte Erde. Was die UN für die Kriegsopfer und das Land jetzt tun können – und warum sie es bisher nicht tun: Engagierte Analyse bei "IPI Global Observatory".
Zu heiß zum Lernen: Extremwetter wie Dürren und Hitzewellen haben auch große Auswirkungen auf die Bildung, denn viele Schulen schließen in Zeiten von großer Hitze. Die Folgen für die Kinder, aber auch die ganze Gesellschaft sind dramatisch. "Devex" beschreibt das Problem am Beispiel Indien.
Lasst China exportieren: Im Podcast „Märkte, Mächte, Emissionen“ blickt der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze immer aufs große Ganze. Diesmal erklärt er, wie China auf den Märkten für grüne Technik und E-Autos so stark werden konnte, warum seine Exporte dieser Güter für den Klimaschutz unverzichtbar und für Afrika eine ökonomische Chance sind und warum gerade Deutschland sich am wenigsten über Chinas Exporte beklagen darf: Es setzt selbst noch mehr auf den Export. Klug und wieder brandaktuell angesichts der Brüsseler Autozölle und des Wahlsiegs von Donald Trump.
Wenig Nutzen für die ärmsten Länder: Reiche Staaten und Firmen kaufen Emissionsrechte auf internationalen Kohlenstoffmärkten. Den ärmsten Ländern, die dort Projekte anbieten, bringt das wenig, sagt ein neuer Bericht, den ich mir angeschaut habe.
Überraschende Resilienz: "Current History" analysiert, was Russlands Wirtschaft so stabil hält: hohe Löhne dank Militärausgaben, Handel mit dem Süden, Marktmechanismen und dass West-Sanktionen eine Kapitalflucht verhindern; doch das Modell hat auf lange Sicht Nachteile.
Arbeiten in der Entwicklungszusammenarbeit? Für alle, die wissen wollen, welche Engagement- und Jobmöglichkeiten es in der entwicklungspolitischen Arbeit im Ausland und in Deutschland gibt, könnte die Fachmesse "Engagement weltweit" am 23. November in Siegburg die richtige Veranstaltung sein. Hier stellen sich nationale und internationale Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und der Friedensarbeit vor. Weitere Informationen finden Sie hier.