Der Wandel kommt nicht von außen

Matt Andrews
The Limits of Institutional Reform
Cambridge University Press,
Cambridge 2013, 263 Seiten, ca. 37 Euro

 

 

Thomas Carothers, Diane de Gramont
Development Aid Confronts Politics. The Almost Revolution
Carnegie Endowment, Washington 2013, 347 Seiten, 15,20 Euro
 
 

Diese beiden Bücher sind eine Pflichtlektüre für alle, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind. Die zentrale Botschaft: Wer Entwicklung unterstützen will, muss die örtlichen Umstände stärker berücksichtigen.

Die Autoren beider Publikationen lehnen die Auffassung ab, dass Entwicklungshilfe politisch neutral sein könnte – oder es jemals war. Und sie zeigen, dass Entwicklungsorganisationen zwar viel mehr als noch vor einigen Jahren über die örtlichen Umstände wissen, in denen sich der Wandel von Institutionen vollzieht. Doch sie tun sich schwer, dieses Wissen in die Praxis zu übertragen.

Carothers und de Gramont von der US-amerikanischen Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden vertreten die These, dass Hilfe in der postkolonialen Ära zwischen den 1960er Jahren und dem Kalten Krieg versuchte, unpolitisch zu sein. Befreundete Diktatoren konnten tun, was sie wollten. Ziel der Entwicklungspolitik war es, Wirtschaftswachstum mit technokratischen Strukturreformen zu erreichen. Naive Entwicklungsexperten mit guten Absichten in staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen machten sich die Auffassung zu eigen, dass Hilfe irgendwie über der Politik stehe.

Das änderte sich ab 1990. Entwicklungsorganisationen merkten, dass ihr technokratischer Ansatz nicht funktionierte. Seitdem – und vor allem seit 2010 – legen sie den Schwerpunkt offener auf Politik. Westliche Geber verfolgen politische Reformziele im Süden, auch wenn dafür der politisch neutrale Begriff „gute Regierungsführung“ verwendet wird. Carothers und de Gramont erklären, damit riskiere man zwar, eine „selbstverständliche zeitlose Wahrheit“ durch eine andere zu ersetzen. Doch man erkenne gleichzeitig an, dass die nationale Politik eines Entwicklungslandes absolut entscheidend für seine Zukunft ist. Hilfe ist an sich politisch und braucht ein politisches Programm, auch wenn das Verpflichtungen mit sich bringt, die riskanter, unübersichtlicher und schwerer zu messen sind.

Geber müssen lokale Umstände besser begreifen

Dem Einfluss, den Chinas Engagement in Entwicklungsländern auf dieses politische Programm hat, hätten sich die beiden Autoren allerdings ausführlicher widmen können. China kümmert sich – zumindest wenn man seiner Rhetorik glaubt – wenig um die Innenpolitik in anderen Ländern. Seine Investitionen geben Regierungen, die westliche Lektionen in Demokratie ablehnen, eine Wahlmöglichkeit und ein anderes Modell. Westliche Entwicklungsorganisationen ringen mit den Fragen, wie sie China dazu bringen können, die internationalen Prinzipien für wirksame Entwicklungshilfe zu unterschrieben, und wie sie Regierungen von Entwicklungsländern von Reformen überzeugen können, wenn das Geld, die Straßen und Fünf-Sterne-Hotels aus China doch zeigen, dass alles bestens ist.

Matt Andrews von der „Kennedy School of Governance“ reiht sich ein unter Kritiker, die erklären, dass es nicht funktioniert, Entwicklungsländern institutionelle Reformen nach dem Prinzip „ein Modell passt allen“ überzustülpen. Denn damit werden örtliche Gegebenheiten ignoriert, obwohl die lokale Politik, die Fähigkeiten einheimischer Führer und die Nachwirkungen vergangener Entscheidungen den Erfolg stärker beeinflussen als jedes von außen aufgenötigte Modell. Noch schlimmer: Viele Entwicklungsländer geben nur vor, Reformen umzusetzen, damit die Hilfe weiter fließt.

Andrews schlägt einen anderen Ansatz vor: Pro­blemorientierte schrittweise Anpassungen, die sich darauf konzentrieren, örtliche Probleme zu lösen und dabei Lernen und Flexibilität zulassen. Er stützt das mit empirischen Beispielen von Malawi über Afghanistan und Argentinien bis nach Ruanda. Sein Ansatz hätte weitreichende Folgen für die Geber: Statt fertige Lösungen anzubieten, müssten sie sich stärker auf Probleme und Prozesse konzentrieren, wichtige Entscheidungen Einheimischen überlassen und ein mögliches Scheitern akzeptieren.

Beide Bücher fordern, dass die Geber von Entwicklungshilfe lokale Umstände besser begreifen und es vermeiden müssen, vorgefertigte, technokratische Entwicklungsmodelle überzustülpen. Sie müssen tun, was sie bisher nur predigen: Ideologisch geprägte Blaupausen aufgeben und den lokal getriebenen und schrittweisen Wandel unterstützen. (Mark Furness)

Erschienen in welt-sichten 11/2013

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