Afrika – Kontinent der Jugend

Alcinda Honwana The time of youth,
Work, social change and 
politics in Africa,
Kumarian Press, Sterling 2013
222 Seiten, ca. 25 Euro
 
Die mosambikanische Anthropologin Alcinda Honwanda analysiert die Situation von Jugendlichen in vier afrikanischen Ländern. Sie erläutert die Ursachen für ihre schwierige Lage und fragt nach möglichen Veränderungen.

Afrikas Bevölkerung ist jung. Doch viele junge Frauen und Männer haben keine Arbeit und sind unzufrieden mit ihren Regierungen, die sie als korrupt und unfähig wahrnehmen. Ihre Situation sei ein Indikator für den Zustand eines Staates, seiner Wirtschaft und seiner Gesellschaft, lautet eine zentrale These der mosambikanischen Wissenschaftlerin Alcinda Honwana. Ihre brillant geschriebene und gut recherchierte Analyse basiert auf ihren Studien mit jungen Forscherteams, die über Jahre an wissenschaftlichen Zentren und Universitäten im Senegal, in Mosambik, Südafrika und Tunesien entstanden sind. Anhand dieser vier Länder nördlich und südlich der Sahara zeigt sie strukturelle Gemeinsamkeiten auf. Die langjährige Arbeit für die Vereinten Nationen in der Berichterstattung über Kindersoldaten hat ihren Blick für die Misere von Kindern und Jugendlichen ebenfalls geschärft.

Das Buch geht jedoch weit über aktuelle Bestandsaufnahmen in Kriegs- und Nachkriegsländern hinaus. Honwana richtet den Blick auf tiefer liegende wirtschafts- und bildungspolitische Probleme, die mittel- und langfristig angelegte Strukturveränderungen erfordern. Dabei beschränkt sie sich nicht auf Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit oder isolierte politologische Befunde zur Distanz von Jugendlichen gegenüber verkrusteter Parteipolitik. Vielmehr verknüpft sie die Analyse politischer Kernprobleme mit der Lebenswelt und den Selbsteinschätzungen von Jugendlichen.

Kleinhandel, Schmuggel, Prostitution

Honwana erklärt zunächst, wie Jugend in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften definiert wird. Sie illustriert soziale Ursachen für Generationenkonflikte – etwa in Gesellschaften, in denen männliche Älteste das Sagen haben und 35-jährige unverheiratete Männer noch nicht als vollwertige Erwachsene gelten. Die Wartephase zwischen Kindheit und Erwachsensein dauert oft jahrelang. Im Anschluss widmet sich die Autorin den Hoffnungen von Jugendlichen, zeigt wirtschaftliche Strategien zur Existenzsicherung und ergründet politische Jugendproteste.

Die meist im informellen Sektor angesiedelten Überlebensstrategien reichen vom Kleinhandel über den Schmuggel bis hin zur oft verheimlichten Prostitution. Sexuelle Kontakte, vor allem mit vergleichsweise wohlhabenden „Sugar Daddies“, führen oft zu HIV-Infektionen und zu ungewollten Schwangerschaften, für die dann nur die Mädchen gesellschaftlich abgestraft werden. Jungen hingegen können häufig die familiären und gesellschaftlichen Erwartungen an Männer nicht erfüllen. Sie dürfen oft nicht heiraten, weil sie nicht genug Geld vorweisen können. Dies verhindert, dass junge Männer als verantwortungsvolle Ehemänner und Väter anerkannt werden, was Irritationen für die Betroffenen und Geschlechterkonflikte zur Folge hat. Solche Veränderungen des Heiratsverhaltens sind integrale Bestandteile der Analyse, sie werden nicht wie in vielen anderen Jugendstudien als Randthema in inhaltsleeren Nebensätzen abgehakt.

Die Verbindungen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit zeigt die Autorin auch am Beispiel politischer Jugendproteste auf. Sie beschreibt Grundmuster des Widerstands tunesischer Jugendlicher und vergleicht sie mit Protesten im Senegal und im südlichen Afrika. Honwanas Buch bietet viele Ansatzpunkte zur intensiveren Auseinandersetzung mit den fatalen Folgen der Korruption alter und neuer Eliten, die dem Diktat internationaler Kreditgeber folgten. Schlechte Regierungsführung und kurzsichtige neoliberale Wirtschaftsplanung sind laut Einschätzung der Autorin zentrale Ursachen für die Blockaden, die das Innovationspotential und die Kompetenzen von Jugendlichen ausbremsen. Auf diesen Ebenen müssen Veränderungen ansetzen. (Rita Schäfer)

Erschienen in welt-sichten 11-2013
 

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