Tage der Gewalt in Mali

Christof Wackernagel
Reden statt schießen. Militärputsch in Malis Kultur des Dialogs
Prospero Verlag, Münster 2013,
207 Seiten, 17,95 Euro

Der Schauspieler und Autor Christof Wackernagel hat die Entwicklungen im westafrikanischen Mali seit dem Militärputsch im März 2012 in einem spannenden Tagebuch festgehalten.

„Mein ganzes Leben kämpfte ich gegen die NATO – jetzt wische ich mir den Schweiß von der Stirn und bin froh, dass es sie gibt und ihre Übermacht mich gerettet hat“. So kommentiert Christof Wackernagel die französische Militärintervention in Mali im Januar 2013. Woher dieser Gesinnungswandel des Schauspielers und Autors, der in den 1970er Jahren Mitglied der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) war, 1977 verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde? Schon 1983 hatte sich Wackernagel von der RAF losgesagt, 1987 wurde er aus der Haft entlassen und arbeitete wieder als Schauspieler.

2003 ging er nach Bamako, wo er, tief beeindruckt von der malischen „Kultur des Dialogs“, die nächsten Jahre leben sollte. Dort überrascht ihn im März 2012 der Militärputsch gegen Präsident Amadou Toumani Touré. Nie hätte er sich vorstellen können, dass die Entwicklung dieser jungen, dynamischen Demokratie, die ihm lebendiger vorkam als die deutsche, wieder zurückgedreht werden könnte, schreibt er.

Mit dem Militärputsch setzt das Tagebuch ein. Minutiös protokolliert Wackernagel die Ereignisse der folgenden 16 Monate, die Reaktionen der Bevölkerung auf den Putsch, Motive, Aussagen und Aktionen der Protagonisten. Er berichtet über die Gewalttaten der Militärs sowie der Tuareg-Rebellen und der Islamisten, die die Kontrolle über den Norden des Landes übernommen haben. Dort richten sie ein Terror-Regime ein, in dem die Scharia herrscht. Hunderttausende Menschen fliehen in den Süden. Im Januar 2013 stoppen französische Soldaten den Vormarsch, malische Regierungstruppen erobern die Städte im Norden zurück.

Warnung vor deutschen Rüstungsexporten

Wackernagel pendelt in diesem Zeitraum zwischen Deutschland und Mali. Er vergleicht den Alltag in beiden Ländern und ärgert sich über die oberflächliche Berichterstattung in den deutschen Medien über die Ereignisse in Mali. Sicher sind seine Ausführungen in Teilen etwas blauäugig – etwa wenn er die Demokratie in Mali beschreibt und den gestürzten Präsidenten Touré gegen malische Gesprächspartner, die ihn kritisieren, in Schutz nimmt.

Ärgerlich sind hinkende Vergleiche mit der deutschen Geschichte, wenn er etwa dem „Weimarer Parteienstreit“ die „Mitverantwortung  der malischen politischen Klasse“ an den Ereignissen in ihrem Land gegenüberstellt, sowie polemische Angriffe auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Sie biedere sich den neuen Machthabern an und spreche von den „Machenschaften“ des alten Regimes, das sie vorher uneingeschränkt unterstützt habe. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) habe in Mali mit deutschen Steuern eine „Fassadendemokratie“ gestützt, wofür sie vom Bundesrechnungshof nie belangt worden sei. Und Wackernagel fragt sich, ob die Bundesrepublik nicht vielleicht selbst eine Fassadendemokratie sei.

Dennoch lohnt die Lektüre. Das Tagebuch gewährt tiefe Einblicke in die malische Gesellschaft und ihre Form der Schlichtung von Konflikten durch Mediation. Es informiert spannend und anschaulich über die Ereignisse der letzten Monate in Mali und der gesamten Region. Zudem liefert Wackernagel wichtige Informationen zum Wirken der islamistischen Terrorgruppe Ansar Dine. Er stellt den Zusammenhang zwischen dem Konflikt im Norden Malis und der instabilen Lage im benachbarten Libyen her und warnt vor deutschen Rüstungsexporten nach Katar oder Saudi-Arabien. Zu groß ist die Gefahr, dass Waffen von dort aus in Krisenländer wie Mali gelangen. (Klaus Jetz)

Erschienen in welt-sichten 2-2014

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