Sind die schwachen Staaten selbst schuld?

Fantu Cheru, Renu Modi
Agricultural Development and Food Security in Africa.
Zed Books, London und New York 2103, 263 Seiten, ca. 26 Euro

Große Investitionen aus Indien, China und Brasilien könnten Afrikas Landwirtschaft helfen, erklären die Herausgeber dieses Sammelbandes. Die Fallstudien darin bestätigen diese Theorie jedoch nicht.

Wenn Firmen, besonders aus Schwellenländern, in Afrika große Agrarunternehmen gründen, dann warnen nichtstaatliche Organisationen (NGO) aus Europa und den USA schnell vor Landraub und verlangen globale Regeln für solche Anlagen. Dem widersprechen die Herausgeber dieses Buches: der aus Äthiopien stammende Politökonom Fantu Cheru, der heute am Nordischen Afrika-Institut in Uppsala forscht, und die indische Politologin Renu Modi, die bis 2010 das Zentrum für Afrika-Studien der Universität Mumbai geleitet hat. Sie bemängeln mit einem gewissen Recht, die Kritiker stellten allgemeine Behauptungen auf der Grundlage dünner Fakten auf, ohne Einzelfälle zu untersuchen. Leider ist ihre Methode nicht besser.

Inder erwerben laut Cheru und Modi in Afrika viel mehr Land für Großfarmen als Chinesen. China konzentriere sich auf Musterfarmen, Berufsbildung und technische Hilfe und schicke Agrarexperten. Brasilien folge auch in Afrika dem heimischen Modell der kommerziellen Großfarm, oft für Agrotreibstoff, in Verbindung mit Unterstützung für Familienbetriebe. All diese Agrarinvestitionen böten große Chancen, wenn afrikanische Staaten den Rahmen richtig setzten. Dann könnten sie helfen, über den Ausbau der Infrastruktur und die Weitergabe von Wissen und Techniken die Produktivität der Landwirtschaft in Afrika zu steigern – auch die von Kleinbauern.

Diese Auswirkungen soll das Buch empirisch zeigen. Doch das tut es nicht. Die meisten Beiträge schildern entweder offizielle Ziele der Politik Indiens, Brasiliens oder Chinas gegenüber Afrika – quasi entwicklungspolitische Strategien aus Sicht der Geber. Oder sie bewerten die Folgen der Kooperation anhand von Zahlen darüber, wie viele moderne Pumpen eine Firma in Afrika installiert hat und wie viele Ausbildungsgänge dort abgehalten wurden. Hier wird, ähnlich wie früher in der westlichen Entwicklungspolitik, der Input mit der Wirkung verwechselt.

Um zentrale Probleme herumgemogelt

Zwei echte Fallstudien gibt es jedoch. Kai Thaler zeigt, dass Brasilien in Mosambik nützliche Initiativen unterstützt wie den Austausch von Agrarforschern und Saatgutbanken. Der größte Teil der Investitionen und der Hilfe fließe jedoch in den Anbau von Agrotreibstoffen für den Weltmarkt und nutze den Kleinbauern in Mosambik bisher wenig. Noch kritischer fällt Dessalegn Rahmatos Bilanz zu indischen Großfarmen in Äthiopien aus. Dafür seien Bauern, teils ohne Entschädigung, umgesiedelt worden. Nun sei das Land konzentriert in der Hand einer kleinen äthiopischen Elite und ausländischer Kapitalisten. Das Ziel, die lokale Wirtschaft anzuregen, werde verfehlt: Die Technik der Farmen sei für lokale Bauern ungeeignet oder unerschwinglich. Die Unternehmen hätten auch nicht zum Ausbau sozialer Dienste beigetragen. Der äthiopische Staat sei gar nicht in der Lage, sie zur Einhaltung ihrer Vertragspflichten zu zwingen.

Davon unbeirrt ziehen Cheru und Modi den Schluss, dass private und staatliche Investitionen sowie Hilfe aus den drei Schwellenländern einen „positiven Beitrag“ zur Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft geleistet hätten. Sie einzuwerben sei für Afrika unerlässlich, obwohl sie auch manchmal Schaden anrichten könnten. Entscheidend für das Ergebnis sei, ob die afrikanischen Staaten klare Regeln für solche Investitionen setzten, zum Beispiel einen Technologietransfer verlangten. Globale Regeln seien dagegen unverbindlich und damit wirkungslos.

Diese Schlüsse sind von den einzelnen Studien des Bandes nicht gedeckt. Zudem mogeln sich Cheru und Modi um ein zentrales Problem herum: Eine Reihe Staaten in Afrika sind aus zahlreichen, auch historischen Gründen schwach und klientelistisch. Sie können Agrarinvestitionen nicht ausreichend regeln, und genau deshalb finden dort große Landkäufe statt. Die können gute Regierungsführung weiter erschweren. Globale Regeln sollen diese Lücke stopfen. Sie mögen schwach sein und sogar problematisch, weil westliche Staaten oder NGOs damit Investitionen aus Schwellenländern in Afrika regulieren wollen. Doch sie einfach abzutun läuft darauf hinaus, die Investoren aus der Verantwortung zu entlassen, und den afrikanischen Regierungen zu sagen: „Selbst schuld, wenn ihr zu schwach seid, euch zu wehren.“ (Bernd Ludermann)

Erschienen in welt-sichten 2-2014

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