Steile Thesen

Hamed Abdel-Samads neuestes Buch ist ein Kracher – und das soll es auch sein. Für seinen Vergleich zwischen Islamismus und Faschismus wird der aus Ägypten stammende Politologe mit dem Tod bedroht.

Abdel-Samad ist kein unbeschriebenes Blatt. Hierzulande ist er vor allem durch seine schillernden Auftritte mit Henryk M. Broder bekannt, mit dem er vor einigen Jahren eine gemeinsame Satiresendung hatte. Darin ließen sich beide zu Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder Islamophobie aus – gerne auch politisch unkorrekt. In seinem jüngsten Buch vertritt Abdel-Samad die These, dass Islamismus und Faschismus nicht nur zeitgleich in den 1920er Jahren entstanden sind, sondern dass sie sich auch in Organisationsstruktur, Führerkult und Absolutheitsanspruch ähneln.

Der Faschismus sei in Deutschland und Italien zum herrschenden Weltgeist zwischen den beiden Weltkriegen geworden, weil sich beide Länder ungerecht behandelt fühlten, schreibt Abdel-Samad. 

Minderwertigkeitskomplexe hätten sich mit Rachegedanken und dem Wunsch verbunden, ein Großreich wiederherzustellen. Zur selben Zeit seien in dem ebenfalls im Ersten Weltkrieg zusammengebrochenen Osmanischen Reich islamische Bewegungen entstanden. Die Muslimbrüder etwa hätten sich an Deutschland und Italien orientiert. 

Der Autor weist Parallelen in den Ideologien nach, zeigt, dass sie die Welt in gut und böse, in Freund und Feind aufteilten. Faschismus und Islamismus verherrlichten gleichermaßen den Tod, und für beide spiele das Racheprinzip eine wichtige Rolle. Abdel-Samad sieht in beiden Ideologien eine Gegenreaktion auf die Moderne und den Individualismus. Eine weitere Parallele bestehe darin, dass sie mit Terrormilizen Druck auf die Bevölkerung ausübten, sie massiv überwachten und die Meinungsfreiheit unterdrückten.

Sie wollten auf ihre jeweils eigene Art die Gesellschaft umerziehen, den Individualismus auslöschen und eine gleichgeschaltete Masse formen. „Das letzte Ziel ist jeweils die Weltherrschaft“, schreibt Abdel-Samad. Das sind alles durchaus interessante Vergleiche angesichts des Desasters, das Muslimbrüder, Dschihadisten, die Al-Schabaab-Miliz, ISIS und Boko Haram derzeit anrichten.

Abdel-Samad geht aber noch weiter und meint, im Ur-Islam bereits faschistoide Grundzüge zu erkennen, die zum modernen Islamismus geführt hätten. Er begründet diese These mit der Scharia, dem Prinzip des Heiligen Krieges, der Trennung der Welt in Gläubige und Ungläubige sowie der Unantastbarkeit von Koran und Propheten. Diese seit dem siebten Jahrhundert geltenden Prinzipien machten den Islam zu einer faschistoiden Religion, sagt Abdel-Samad. Eine solche Aussage erinnert doch sehr an die europäische Religionskritik im 19. Jahrhundert, als Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Friedrich Nietzsche am Christentum kein gutes Haar mehr ließen.

Abdel-Samad, der von sich selbst sagt, er sei früher einmal Islamist gewesen, darf eine derart steile These verfechten. Kritik an der eigenen Religion muss möglich sein. Dass namhafte und einflussreiche Islamisten in Ägypten zum Mord an ihm aufgerufen haben, ist nicht nur ein makabrer Treppenwitz der Geschichte. Es zeigt, welche Gesinnung sich unter dem Deckmantel des Islamismus verbergen kann. Abdel-Samad, der sich auch in Deutschland nur mit Personenschutz fortbewegen kann, sollte unsere Solidarität gelten.

Das heißt aber noch lange nicht, dass man seiner Argumentation uneingeschränkt folgen sollte. Insbesondere Nicht-Muslime sollten vorsichtig sein und sich klar machen, dass sie als Außenstehende den Islam nicht in derselben Weise kritisieren können wie jemand, der in diesem Glauben aufgewachsen ist. „Der islamische Faschismus“ ist ein lesenswertes Buch, solange man es als das versteht, was es ist: ein Beitrag zur innerislamischen Diskussion um Wesen und Wert von Religion.

Katja Dorothea Buck
 

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