Religionen: vielfältig und extrem

Friedrich Wilhelm Graf
Götter global
Wie die Welt zum Supermarkt der Religionen wird
Verlag C.H.Beck, München 2014,
286 Seiten, 16,95 Euro

Der Münchner Theologieprofessor Friedrich Wilhem Graf erklärt, warum die Religionen in der globalisierten Welt wichtig sind. Er hat ein wissenschaftlich fundiertes, differenziertes, gut lesbares und erfrischend kritisches Buch geschrieben.

Graf geht der Frage nach, wie und warum ein weltweiter Supermarkt der Religionen entstanden ist. Diese Frage impliziert Kritik an der These, dass die Bedeutung der Religionen schwindet. In der Auseinandersetzung mit ihnen geht es darum, wie sich der Glauben und die freiheitliche politische Ordnung miteinander vereinbaren lassen. Grafs Buch verdient weite Beachtung. Es ist informativ für alle, die die Dynamik der Religionen verstehen und sich ein begründetes Urteil bilden wollen.

Die Religionen werden vielfältiger, fundamentalistische Strömungen nehmen zu. Graf deutet diese Phänomene mithilfe des religionsökonomischen Modells von Peter L. Berger: Die Konkurrenz zwischen den Glaubensgemeinschaften erfordere die Schärfung des jeweiligen Profils. Das führe zu einer Ausdifferenzierung und zu manchmal aggressiver Werbung für den eigenen Glauben.

Graf beleuchtet das Verhältnis von Staat und Kirche beziehungsweise Religion in Deutschland und in Europa und skizziert die unterschiedlichen,  historisch bedingten Regelungen und deren Wirkung. Darüber hinaus setzt er sich mit den schnell wachsenden Pfingstkirchen, die den sozialen Aufstieg ihrer Mitglieder befördern, mit dem Kreationismus, dem Begriff des Heiligen Kriegs und dem wachsenden Fundamentalismus auseinander.

Den Ursprung des Kreationismus, der die Evolutionstheorie ablehnt und davon ausgeht, dass Gott die Erde und die Menschen erschaffen hat, sieht Graf in der Zurückweisung des Sozialdarwinismus, also der Übertragung der Ideen Darwins aus der Naturgeschichte auf die Geschichte menschlicher Gesellschaften. Aufschlussreich ist der Hinweis, dass der Kreationismus aus den USA inzwischen über die Türkei in die Lehrpläne für Schulen in muslimischen Staaten eingedrungen ist.

Der Begriff „Heiliger Krieg“ im Zusammenhang mit Glauben und Gewalt ist europäischen Ursprungs und wurde von Religionshistorikern im Blick auf das Alte Testament geprägt. Gefährlich wird er, wenn er dazu benutzt wird, gegenwärtige Kriege zu legitimieren. Der Fundamentalismus als modernitätskritischer Ausweg aus Erfahrungen von Unsicherheit und als Angebot verbindlicher Normen bedroht die Kultur der Toleranz, die es Menschen erlaubt, mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen friedlich zusammen zu leben.

Als Fazit seiner Analyse dringt Graf darauf, die Religionen zu zivilisieren: Dazu sei es notwendig, überlieferte Glaubensvorstellungen kritisch theologisch zu reflektieren und die Vorstellungen von der Allmacht Gottes zu relativieren.

Rudolf Ficker

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