Augenhöhe ist Augenwischerei

###bild-1-31###Der schmale Band versammelt Beiträge von deutschen und malawischen Theaterleuten, die an einem gemeinsamen  Projekt gearbeitet haben. Ihre Texte bieten eine sehr lesenswerte, kritische Reflexion dieser Zusammenarbeit und mehr Einblicke in die Fallstricke von Entwicklungszusammenarbeit als mancher politischer Wälzer zum Thema.

Auf Initiative von Christoph Nix, dem umtriebigen Intendanten des Stadttheaters Konstanz, war die dreijährige Kooperation unter dem Titel „Crossing Borders – von See zu See“ 2009 zustande gekommen. „Crossing Borders“ ist eines der seltenen Kulturprojekte zwischen Deutschland und Afrika. Konstanz hat damit Furore gemacht in der deutschen Kulturlandschaft und wurde als „innovativstes Theater jenseits der Metropolen“ gelobt. Trotz des Erfolgs kam es nicht zu der von Nix gewünschten langfristigen Städtepartnerschaft zwischen Konstanz und einer malawischen Kommune. Langfristige Kooperationen sind schwer finanzierbar, das ist ein Fazit von „Crossing Borders“. Die Geldgeber wollen lieber neue, innovative Projekte.

Kunst in der Entwicklungszusammenarbeit ist immer in Gefahr, für politische Zwecke instrumentalisiert zu werden. Der malawische Regisseur Thokozani Kapiri beschreibt, wie abhängig Theaterarbeit in Malawi von den Zielen westlicher Geldgeber ist. Sie lassen gerne Shakespeare und Ibsen spielen; ob das den Zuschauern etwas bringt, ist zweitrangig. „Crossing Borders“ war für Kapiri eines der wenigen Projekte ohne inhaltliche Vorgaben, bei denen ein afrikanischer Zugang möglich war. Er konnte sich auf künstlerische Fragen konzentrieren, ohne die Zusammenarbeit  mit Erwartungen zu überfrachten. „Wir mussten nicht mit einem einzigen Theaterstück die ganze Welt retten, das war eine große Erleichterung“, schreibt er.

Wer von „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ redet, macht sich etwas vor. Zu diesem Ergebnis kommt der deutsche Regisseur Clemens Bechtel. Die beliebte Phrase verdecke die Asymmetrie in den Beziehungen – das gilt sicher nicht nur für Theaterkooperationen. „Wir reden zwar von gleichberechtigter Partnerschaft, doch die Regeln, wie diese Partnerschaft aussieht, die legen wir alleine fest.“ Bechtel beschreibt im stärksten Text des Buches nicht nur koloniale Strukturen, die bis heute fortdauern.

Er schildert die Afrika-Stereotypen, die auch die Theaterleute  aus Konstanz im Kopf haben, und skizziert Konflikte zwischen Malawiern und Deutschen. Sie drehten sich um unterschiedliche Vorstellungen von Führung, Entscheidungsfreiheit und demokratischen Prozessen. In anderen Beiträgen geht es um die Absurditäten deutscher auswärtiger Kulturpolitik, bei der Goethe-Institute kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen werden – so mehrfach geschehen im südlichen Afrika.

Der Klappentext des Buches bedient zwar auch das Klischee vom Abenteuer Afrika. Sein Inhalt ist aber wohltuend kritisch und ein Gewinn für alle, die sich mit Kultur und Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen wollen.

Claudia Mende
 

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