Die Wurzeln des Kriegs im Irak

Der Lage im Irak ist instabil und unübersichtlich. Die Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes erklären, wie es dazu gekommen ist. 

Es ist unmöglich, die kriegerischen Ereignisse im Zweistromland in Buchform aufzuarbeiten, ohne der Aktualität hinterherzuhinken. Diesen Versuch unternimmt dieser klug zusammengestellte Sammelband auch gar nicht erst. Aber wenn man verstehen will, was nahezu jeden Abend die Nachrichtensendungen beschäftigt, muss man die Hintergründe kennen. Die 31-jährige Wiener Philosophin Tyma Kraitt, selbst halbe Irakerin und daher von den Entwicklungen im Land ihrer Geburt tief berührt, hat einige der besten Kenner des Nahen Ostens dazu gebracht, dieses Material zu liefern.

Das Buch versuche, Konflikte zu erklären, indem es auf die Kolonialgeschichte und die damit verknüpften Interessen schaut, erklärt der Politologe und Historiker Werner Ruf. Und dabei ging es vor allem um eines: Erdöl. Das „schwarze Gold“ bestimmte das Entstehen und den Niedergang des Irak, wie die Arabistin Karin Kneissl erläutert: Von der visionären Entscheidung des späteren britischen Premiers Winston Churchill im Jahr 1912, die Kohle als wichtigsten Energieträger durch Diesel zu ersetzen, bis zum Einmarsch der US-Truppen unter George W. Bush im Jahr 2003.

Die Hörfunk-Journalistin und Lehrbeauftragte für islamische Religionspädagogik Liselotte Abid stellt die verschiedenen Ethnien und Glaubensgemeinschaften vor, die sich das Land teilen müssen, obwohl sie zum Teil seit Menschengedenken miteinander in Fehde sind. Trotzdem haben Schiiten, Sunniten, Christen, Jesiden, Kurden, Turkmenen und Sabäer Seite an Seite gelebt, bis die jüngsten Kriege den religiösen Extremismus anheizten und ethnisch-religiöse Säuberungen in Gang setzten.

Hans-Christof von Sponeck, der von 1998 an das „Öl-für-Lebensmittel-Programm“ der Vereinten Nationen (UN) leitete und 2003 vor einem Einmarsch im Irak gewarnt hatte, schildert seine Erfahrungen, wie die UN und der Westen die Sanktionen gegen Saddam Hussein auf die Spitze trieben und unendliches Leid der Zivilbevölkerung in Kauf nahmen. Der Historiker Nikolaus Brauns befasst sich mit den Kurden, denen ein eigener Staat immer verwehrt war. Verstreut über die Türkei, den Iran, den Irak und Syrien wurden sie von den autoritären Regimes der Zentralstaaten als potenzielle Feinde behandelt. Das gipfelte im Giftgasangriff Saddam Husseins auf die kurdische Stadt Halabdscha im März 1988, bei dem an die 5000 Menschen getötet und doppelt so viele verletzt wurden. Der Diktator warf den Bewohnern der Grenzstadt vor, mit dem Kriegsgegner Iran zu kollaborieren. Kein Wunder, dass die Kurden den Sturz Saddams uneingeschränkt begrüßten.
Es wird dargestellt, wie die Okkupation durch die USA die Spaltung in religiöse Gruppen angeheizt hat und immer wieder stellen die Autorinnen und Autoren die Frage, ob der Irak in den heutigen Grenzen bestehen kann. Sie bleibt zwar unbeantwortet, doch angesichts der Alternativen erscheint es nach Lektüre dieses Buches wünschenswert.

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