Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Süßes Gift – Hilfe als Geschäft 
Deutschland 2012, Buch und Regie: Peter Heller,  89 Minuten 
Seit 8. November 2012 in ausgewählten Kinos

Ein Frachtflugzeug gleitet über eine dürre Savannenlandschaft, die Luken öffnen sich, weiße Säcke regnen vom Himmel. Unten kratzt eine Schar Menschen den essbaren Inhalt der aufgeplatzten Ballen vom Boden. Schon die Eröffnungsszene, die im kenianischen Turkana-Land spielt, deutet die Stoßrichtung des Films an: Regisseur Peter Heller macht die Ignoranz vieler westlicher Entwicklungsvorhaben gegenüber den lokalen Umständen, der Kultur und den Traditionen immer wieder zum Thema. 


Dies gilt auch für die Region um den Turkana-See, seit Jahrzehnten Ziel von Entwicklungsprojekten und Nothilfe. Nachdem die Nomaden 1969 durch eine verheerende Dürre einen großen Teil ihres Viehs verloren hatten, kamen internationale Organisationen auf die Idee, die Menschen an den See umzusiedeln. Aus Nomaden sollten Fischer werden. Der staatliche Entwicklungsdienst Norwegens wollte die Fischerei in Kenia nach skandinavischem Vorbild modernisieren und baute eine große Kühlfabrik für den Fischexport. Das Kühlhaus  ging nie in Betrieb, heute lagert hier Trockenfisch für den lokalen Handel. Die Entwicklungshelfer sind längst wieder weg, die Menschen aber auch heute nicht in der Lage, sich selbst zu ernähren.

An den weiteren Schauplätzen des Films wiederholt sich die Geschichte mit leichten Variationen. Auch im Dorf Mahenda in Tansania etwa scheiterten Entwicklungsprojekte, spätestens als die Baumwollbauern nicht mehr durch Subventionen vor den Schwankungen am Weltmarkt geschützt waren. Der Tenor des Dokumentarfilms: Entwicklungszusammenarbeit in ihrer bisherigen Form ist nicht nur wirkungslos, sondern sogar schädlich, schafft Abhängigkeiten und erstickt Eigeninitiative. Stattdessen profitieren vor allem Unternehmen aus den Geberländern und die um Selbsterhalt bemühten nichtstaatlichen Organisationen (NGO).

Länder, in denen sich die Lage verbessert hat, bleiben außen vor

Geteilt werden diese Einschätzungen von afrikanischen Experten, Missionaren, Parlamentariern und Journalisten, die im Film zu Wort kommen. Sie bezweifeln nicht nur die Wirksamkeit vieler Projekte, sondern lehnen die Entwicklungshilfe insgesamt ab. In seiner Kritik und vor allem mit der Auswahl der Schauplätze und Projekte bleibt der Film jedoch einseitig. Dass es in Afrika auch Länder und Regionen gibt, die sich in den vergangenen Jahren – trotz oder wegen der Hilfe von außen – zum Besseren verändert haben, wird ausgeblendet. Auch Kenia und Tansania befinden sich im Aufschwung. Warum er bei vielen Menschen nicht ankommt, erklärt der Film nicht ausreichend.

Stattdessen werden gängige Kritikpunkte aufgegriffen – und mit eindrucksvollen Bildern und O-Tönen hinterlegt. Damit gelingt dem Film, was viele Regierungen und Entwicklungshelfer nicht wollen oder nicht können: zuhören. So erfährt man, dass manche Afrikaner in ländlichen Gebieten die internationalen Geber verzweifelt um Hilfe bitten, während bei anderen große Müdigkeit und Zorn spürbar ist, weiter als Hilfsbedürftige angesehen zu werden. Neue Impulse kommen vor allem aus intellektuellen Kreisen, die ihre Hoffnungen auf eigenständiges Wachstum setzen. Dafür brauche es lokale Industrie und Investitionen aus dem eigenen Land. So wie am Turkana-See, wo ein kenianischer Investor nun die leerstehende Kühlanlage sanieren will. (Sebastian Drescher)

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