Emissionshandel: Flaggschiff in Schräglage

Auf seinem Frühjahrsgipfel Ende März wird der EU-Rat sich mit der Energie- und Klimapolitik befassen. Die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission dazu stoßen nicht nur bei Klimaschützern auf Kritik.

Nach dem Willen der Kommission soll die EU bis 2030 ihren Ausstoß an Treibhausgasen um 40 Prozent vermindern. Wie die Mitgliedsländer das erreichen, will Brüssel ihnen selbst überlassen. Für die beiden anderen Eckpfeiler der EU-Klimapolitik – Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils von erneuerbaren Energien – macht die Kommission in ihrem neuen Vorschlag keine verbindlichen Vorgaben mehr.

Das traf nicht nur bei Umwelt- und Klimaschützern auf Ablehnung, sondern auch bei Industrieverbänden und im Europaparlament: Eine Mehrheit der Abgeordneten schickte die Vorlage Anfang Februar als ungenügend an die Kommission zurück.

Immerhin macht die Kommission zwei konkrete Vorschläge, wie der arg in Schräglage geratene Europäische Emissionshandel vor dem Untergang gerettet werden soll: Zum einen soll die erlaubte Gesamtmenge der gehandelten Emissionsrechte ab 2021 um jährlich zwei Prozent gesenkt werden statt wie bisher nur um 1,74 Prozent. Zum anderen sollen in Zukunft bis zu fünf Prozent der gesamten Zertifikate, die ab 2020 zur  Versteigerung ausgegeben werden, vom Markt genommen werden dürfen, um auf konjunkturelle Änderungen reagieren und Preiseinbrüche auffangen zu können.

Derzeit hat sich ein Überschuss unverbrauchter Zertifikate für mehr als zwei Millionen Tonnen Treibhausgase angehäuft, was fast zwei Drittel des gesamten Jahresausstoßes der EU entspricht. Das treibt die Preise in den Keller: Emissionszertifikate sind zurzeit für rund drei Euro pro Tonne zu haben; für europäische Unternehmen, die dem Emissionshandel unterliegen, ist es deshalb billiger, Zertifikate zu kaufen als in modernere Anlagen zu investieren.

Das größte Ventil für heiße Luft schließt die Kommission nicht

Allerdings will die Kommission eine weitere wichtige Ursache für diesen Preisverfall nicht wirklich angehen: den Zukauf von Emissionsrechten aus dem sogenannten Clean Development Mechanism des Kyoto-Klimaschutzprotokolls. Derzeit dürfen Unternehmen in der EU ihre im Rahmen des europäischen Handels erworbenen Emissionsrechte mit CDM-Zertifikaten aus Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern aufstocken, in Deutschland etwa um 22 Prozent, in Österreich sogar um 50 Prozent. Die CDM-Zertifikate sind schon für 50 Eurocent zu haben.

Zwar betonte EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hede­gaard mit Blick auf die vielen zweifelhaften CDM-Projekte, dass nach 2020 nur noch Zertifikate aus solchen Projekten im europäischen Handel akzeptiert würden, die „real und zusätzlich“ zum Klimaschutz beitragen. Doch diese Kriterien müssen die Projekte im Prinzip heute schon erfüllen, um überhaupt vom CDM anerkannt zu werden; die EU hat kaum Einfluss darauf, dass das künftig stärker kontrolliert wird.

Die Kommission stellt den Emissionshandel nicht grundsätzlich in Frage. Im Gegenteil: Auf der UN-Klimaschutzkonferenz 2015 in Paris will sie sogar vorschlagen, ihn weltweit auszudehnen. Gegenwärtig verhandelt sie mit Australien und der Schweiz über die Integration von deren nationalen Emissionshandelssystemen in den EU-Handel; weitere Kandidaten sind Kalifornien, Quebec, Chile, Südkorea, Japan, vielleicht sogar China. Überall dort werden CDM-Zertifikate noch großzügiger angerechnet als in Europa.

Eine Ausdehnung des EU-Handels unter diesen Bedingungen könnte das EU-Flaggschiff ganz versenken und zugleich ein weltweites Feld für die Finanzspekulation mit Emissionsrechten öffnen.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2014: Medizin: Auf die Dosis kommt es an
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