Fair soll billiger werden

Kaffeesteuer
Entwicklungsminister Müller will fairen Kaffee von der Genusssteuer befreien, um ihn wettbewerbsfähiger zu machen. Nicht alle Fairtrade-Fachleute finden den Vorschlag gut.

Ob fair gehandelt oder nicht: Wer Kaffee kauft, zahlt mit dem Preis eine Genusssteuer: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will den Verbrauch von fairem Kaffee aus zertifiziertem Anbau ankurbeln. Dazu solle die Genusssteuer für diesen Kaffee abgeschafft werden, sagte Müller in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ Ende März. „Das wäre ein deutlicher Preisanreiz, den der Finanzminister setzen kann“, so Müller mit Blick auf seinen Kabinettskollegen Olaf Scholz (SPD). Dann wäre der faire Kaffee günstiger und könne seinen Marktanteil deutlich steigern.

Derzeit liegt der Marktanteil von fairem Kaffee mit Siegel bei rund vier Prozent. Auf Kaffee sowie auf andere Genussmittel wie Tabak oder Alkohol erhebt der deutsche Fiskus nicht nur Mehrwertsteuer, sondern noch eine zusätzliche Abgabe, in diesem Fall in Höhe von 2,19 Euro pro Kilogramm Röstkaffee. Sie beschert dem Finanzminister jährliche Einnahmen in Höhe von etwa einer Milliarde Euro.

Müller übernimmt mit seinem Vorstoß eine Forderung von Transfair. Die Siegelorganisation verleiht Importeuren, die die Fairtrade-Standards erfüllen, das Recht, ihre Produkte mit dem Fairtrade-Siegel zu kennzeichnen; die erforderliche Zertifizierung übernimmt das Unternehmen Flocert. Transfair hatte Müller während der Grünen Woche im vergangenen Januar eine Petition mit 15.000 Unterschriften für eine Steuerbefreiung von zertifiziertem Kaffee überreicht. Transfair argumentiert, dass Steuern eine soziale und ökologische Lenkungsfunktion hätten. Deshalb sollten sie im Sinne von nachhaltiger Produktion und Konsum umgestaltet werden.

Bei anderen Trägern und Initiativen des fairen Handels kommt der Wunsch von Minister Müller, den Absatz von fair gehandeltem Kaffee zu steigern, zwar grundsätzlich gut an. Die Steuerbefreiung sei „eine gute Möglichkeit, jene Unternehmen zu entlasten, die die wahren sozialen und ökologischen Kosten von Kaffee bereits in ihr Produkt einpreisen“, heißt es in einer Stellungnahme des Forums Fairer Handel.

Sollen Zertifizierungsfirmen den Steuersatz bestimmen?

Doch viele Fragen sind noch offen. Es gibt keine einheitlichen Kriterien, die Kaffee erfüllen muss, um als „fair“ produziert zu gelten. Denn der Begriff „fair“ ist nicht gesetzlich geschützt. Es sind neben Transfair weitere Labels auf dem Markt, wie Utz und Rainforest Alliance. Daneben gibt es Importeure wie zum Beispiel El Puente, deren Kaffee zum Teil keine Zertifizierung von Flocert besitzt, aber schärfere Kriterien erfüllt als der Transfair-Kaffee. Zahlreiche kleinere Importeure bieten direkt gehandelten Kaffee an und berufen sich auf das Vertrauen in langjährige Partner. Wer soll entscheiden, was fair ist und von der Genusssteuer befreit werden sollte?

„Wenn der Staat festlegen möchte, was als fairer Handel gilt, sollte es vorher Gespräche geben, an denen verschiedene relevante Akteure beteiligt sind“, sagt Ruben Quaas, Fairtrade-Experte bei Brot für die Welt. Müllers Vorstoß begrüßt er aber als einen Schritt in die richtige Richtung.
Brigitte Frommeyer von der Fairtrade-Gesellschaft GEPA befürchtet indes, dass man sich bei einer gesetzlichen Regelung auf den „kleinstmöglichen Nenner“ einigt: „Das wäre nicht in unserem Sinne – und sicher auch nicht im Sinne unserer Handelspartner.“ Außerdem bezweifelt sie, dass Initiativen des fairen Handels und ihre Handelspartner an der Entscheidung über eine Steuerbefreiung eingebunden würden. Ruben Quaas von Brot für die Welt fürchtet zudem einen „immensen, kaum vertretbaren Machtgewinn“ für Zertifizierungsfirmen wie Flocert. Denn letztlich würden sie darüber entscheiden, wer in den Genuss von Steuererleichterungen kommt und wer nicht.

Heute bauen 445 Kleinbauernorganisationen in 30 Ländern weltweit Kaffee nach Fairtrade-Standards an. Sie erhalten einen garantierten Mindestpreis für den Kaffee, der in der Regel über dem Preisniveau auf dem Weltmarkt liegt, sowie eine zusätzliche Sozialprämie. Dennoch können nicht alle von ihnen der Armut entkommen. Es ist fraglich, ob ein Aussetzen der Kaffeesteuer das grundlegend ändern würde. Beate Wörner von der privaten Initiative „Kaffeebündnis“ befürchtet einen weiteren Preiskampf auf dem bereits jetzt heiß umkämpften Markt für Kaffee. Eine Steuerbefreiung für fair gehandelte Kaffeesorten könne dazu führen, dass die Preise für andere, nicht steuerbefreite Sorten gesenkt werden, um den alten Abstand wiederherzustellen. Ein solcher Verfall der Kaffeepreise hätte dramatische Folgen für die Produzenten. Damit diese gut leben können, müsste der Deutschen liebstes Getränk aber statt günstiger eher teurer sein.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2018: Neu ist Kult
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