Konsum als Frohe Botschaft

Pfingstkirchen finden in Südafrika immer mehr Anhänger

Von Anthony O. Balcomb

Seit dem Ende der Apartheid verzeichnen charismatische Kirchen und Pfingstkirchen in Südafrika einen starken Zulauf, vor allem unter Schwarzen aus der neuen Mittelschicht. Ihre Botschaft nimmt das herrschende Gesellschaftssystem, den Konsumkapitalismus, kritiklos hin und bietet den Gläubigen keinerlei alternative Werte an.

Die Pfingstbewegung ist die am schnellsten wachsende Glaubensgemeinschaft weltweit. Dieser Trend lässt sich auch in Südafrika beobachten. Nach einer Studie des südafrikanischen Centre for Development and Enterprise vom vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Christen insgesamt von 1996 bis 2001 um 19 Prozent auf 35,8 Millionen Menschen. Die Gruppe der Pfingstler allein verzeichnete aber einen Anstieg von 55 Prozent auf 3,4 Millionen Mitglieder. Die Pfingstbewegung hat viele Gesichter. In der Vergangenheit zählten vor allem Menschen dazu, die arm und weniger gebildet waren und am Rande der Gesellschaft standen. Heute ziehen die Pfingstkirchen junge und moderne Leute ebenso an wie die Angehörigen der Mittelschicht und die Reichen, die Fortschrittlichen und die sozialen Aufsteiger.

Die traditionellen Kirchen spielten in Südafrika ab den 1960er Jahren eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Apartheid, nicht zuletzt über den Südafrikanischen Kirchenrat (SACC). Die Pfingstkirchen traten dabei nicht in Erscheinung - abgesehen von einigen ihrer Mitglieder; ein bekanntes Beispiel ist Frank Chikane, der der Apostolic Faith Mission angehört und während der 1990er Jahre einige Zeit Generalsekretär des SACC war. Doch die Pfingstbewegung, deren theologische Wurzeln die pietistische Betonung der persönlichen Errettung und des Rückzugs von der Welt sind, mied politisches Engagement.

Das heißt nicht, dass Pfingstler keine politische Meinung hatten. Diese war jedoch von Rasse und gesellschaftlicher Stellung ebenso geprägt wie von Theologie. Die theologische Überzeugung, dass das Reich Gottes wenig mit dieser Welt zu tun hat, bedeutete in der Regel, dass der gesellschaftliche Status quo hingenommen wurde. Pfingstler waren immer davon überzeugt, sie hätten über wichtigere Dinge zu sprechen als über Politik: über Erlösung und das Leben nach dem Tod, aber auch über Heilung und, in zunehmendem Maße, über Wohlstand. Seit dem Ende der Apartheid macht sich ein neuer Zeitgeist bemerkbar. Die politische Gleichberechtigung der Schwarzen war erst der Anfang des langen und harten Kampfes um wirtschaftliche Gleichberechtigung. Noch immer ist die überwältigende Mehrheit der Armen und Arbeitslosen schwarz, doch zunehmend sind auch Weiße darunter. Umgekehrt wächst die schwarze Mittelschicht schnell. Auf dem Weg zu Wohlstand und Erfolg sind noch viele Hindernisse zu überwinden, nicht zuletzt psychologische. Einer der Hauptgründe für das Wachstum der Pfingstbewegung, insbesondere unter den Schwarzen in Südafrika, hat mit dem Gefühl der Wertschätzung zu tun, das ihre Botschaft vermittelt. Sie sagt ihren Anhängern, dass sie nicht länger unbedeutend oder minderwertig sind. Sie versichert, dass Gott sie liebt und das Beste für sie will, dass die Vergangenheit ausgelöscht ist und die Zukunft vielversprechend.

Die Botschaft vom Wohlstand macht sowohl die Stärke als auch die Schwäche der Pfingstbewegung aus. Das Problematische daran ist, dass sie die Wertvorstellungen des zugrundeliegenden Weltbildes, des Konsumkapitalismus, nicht im Geringsten hinterfragt. Stattdessen trägt sie zur Verbürgerlichung der südafrikanischen Gesellschaft bei. Diese Kritik muss vorgebracht werden, auch wenn die Entstehung einer schwarzen Mittelschicht folgerichtig und notwendig ist. Denn wenn eine religiöse Bewegung unkritisch eine gesellschaftliche Ideologie unterstützt oder gemeinsame Sache mit ihr macht, ist sie zwangsläufig höchstens begrenzt fähig, ihre wesentliche religiöse Aufgabe zu erfüllen.

Dies gilt auch für die Befreiungstheologie, die in den 1980er Jahren in Südafrika das politische Programm der demokratischen Massenbewegung kritiklos rechtfertigte. Nachdem das Ziel dieser Bewegung, das Ende der Apartheid, erreicht worden war, hatte sich die Begründung einer solchen Theologie erübrigt. Die Befreiungstheologie - in ihrer südafrikanischen Ausprägung - hatte sich auf ein bestimmtes Schiff festgelegt, das, nachdem es von der Hauptströmung erfasst worden war, davonsegelte und die Armen, deren Interessen es angeblich diente, zurückließ. Man könnte sagen: Während die Befreiungstheologie die Option für die Armen wählte, wählten die Armen die Pfingstler. Ein ähnliches Ende der Pfingsttheologie ist in absehbarer Zeit nicht vorstellbar. Die Ungleichheiten sind zu groß und die Fetische des Konsumdenkens zu attraktiv für alle, die zu lange benachteiligt waren. Es gibt jedoch zwei Faktoren, die einem anhaltenden Erfolg dieser Theologie entgegenstehen könnten. Der erste ist das ihr innewohnende Problem, dass sie Leid und Schmerz nicht zu akzeptieren vermag, sondern als etwas versteht, das überwunden oder beseitigt werden muss. Die Theologie der Pfingstler heißt Schmerz als eine Realität in dieser Welt nicht gut, schon gar nicht als Zwiespalt in Gott.

Dadurch wird sie für viele ihrer Anhänger zu einer unerträglichen Belastung. Denn von einem Pfingstler wird erwartet, dass er ständig in einer übernatürlichen Sphäre lebt, in der es im schlimmsten Fall als ketzerisch und im besten Fall als unzulänglich gilt, zu erkennen und zu akzeptieren, dass die Welt, in der wir leben, nicht perfekt ist. Es erfordert immer wieder ein außergewöhnliches Maß an dramatischer Verkündigung und musikalisch aufbereitetem Gottesdienst, um die Gläubigen in solch einem Zustand zu halten. Aber die irdische Realität pflegt die einzuholen, die eigentlich über ihr stehen sollten. Dann kehren die Menschen entweder zum vergleichsweise durchschnittlichen Leben und Gottesdienst der „etablierten" Kirche zurück oder sie werden desillusioniert und lassen ihren Glauben hinter sich. Der andere hemmende Faktor hat mit dem zu tun, was der Soziologe Max Weber die „Routinisierung von Charisma" genannt hat. Es handelt sich um das Phänomen, bei dem eine geistliche Bewegung einen Prozess der Rationalisierung durchmacht; die Bewegung gibt ihre ursprüngliche Betonung des Übernatürlichen auf und betont stattdessen formale und bürokratische Aspekte. In diesem Prozess akzeptiert sie die tatsächlichen Gegebenheiten und ersetzt ihr bisheriges Schwergewicht auf dem unmittelbaren göttlichen Eingreifen durch Institutionalisierung.

Der Schwerpunkt verschiebt sich hin zu schriftlich verfassten Statuten, offiziellen Programmen und ausgearbeiteten Liturgien. Das zeigt sich bereits bei den klassischen Pfingstkirchen wie der Full Gospel Church, der Apostolic Faith Mission und den Assemblies of God, die alle in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Südafrika kamen.Anzeichen für diesen Prozess lassen sich auch daran ablesen, dass immer mehr Pfingstler in regionalen Kirchenräten in Südafrika anzutreffen sind. Diese sind nicht länger die Domäne der sogenannten historischen Kirchen.

Viele Pfingstler treten diesen Räten sowie größeren ökumenischen Foren bei, die eine Plattform bilden für kirchliche Erklärungen von nationaler Bedeutung wie kürzlich zur Situation in Simbabwe. Auch an den theologischen Hochschulen sind Pfingstler vertreten. All das zeigt, dass die Pfingstbewegung sich von den Rändern der Gesellschaft zu ihrer Mitte bewegt. Und die Gesellschaft sowie die traditionellen Kirchen in Südafrika arrangieren sich mehr und mehr mit der Tatsache, dass die Pfingstbewegung auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.

Aus dem Englischen von Elisabeth Steinweg-Fleckner.

Anthony A. Balcomb ist Professor für systematische Theologie an der Hochschule für Theologie und Religion der Universität Kwazulu-Natal in Pietermaritzburg.

erschienen in Ausgabe 3 / 2009: Südafrika: Neue Freiheit, alte Armut

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