Vorteil für beide Seiten

Die Partnerschaften deutscher Kommunen mit China haben wenig mit traditionellen Entwicklungspartnerschaften gemein. In der Volksrepublik geht es deutschen Städten vor allem um eigene Interessen. Wichtig ist aber auch der Austausch in den Bereichen Kultur und Bildung. Ohne den würden auch die Geschäfte nicht laufen.

Die Partnerschaft der Region Nürnberg mit Shenzhen in Südchina entstand 1997, als Siemens dort eine U-Bahn bauen wollte. Der Konzern bat damals den Nürnberger Oberbürgermeister um politische Unterstützung. „In China öffnen sich einem Unternehmen viele Türen, wenn es zusammen mit Politikern anreist", sagt Norbert Schürgers, der Leiter des Nürnberger Amts für Internationale Angelegenheiten.

Bald zeigte sich aber, dass die Chinesen auch an deutscher Kultur sehr interessiert sind. Shenzhen ist gerade dreißig Jahre alt und sucht noch nach einer kulturellen Identität. Die Küstenstadt wurde 1979 gegründet und seither hat sie sich vom Fischerort mit nur 30.000 Einwohnern zur Megacity mit rund 13 Millionen Einwohnern entwickelt. „Chinesen erwarten den Kulturaustausch. Nur dann funktionieren auch die Geschäfte", so Schürgers. Shenzhen ist ein Zentrum der Informationstechnologie, in dem Firmen wie Hewlett-Packard, Nokia oder Sony Ericsson produzieren lassen.

44 deutsche Kommunen haben formelle Partnerschaften mit chinesischen Städten überwiegend aus der boomenden Küstenregion im Süden des Landes, davon sind 13 in die Regionalpartnerschaft des Großraums Nürnberg-Erlangen eingebunden. Mit Städten in Taiwan sind lediglich fünf deutsche Kommunen verbunden. Laut einer Studie der InWEnt-Servicestelle Kommunen in der Einen Welt sind die kommunalen Beziehungen zwischen Deutschland und China „stark von pragmatischer Sachorientierung" geprägt. Zu den Kooperationsfeldern gehören neben Wirtschaft und Kultur auch Bildung, Tourismus und Wissenschaft.

„Bei der Kooperation geht es in erster Linie um Vorteile für die eigene Wirtschaft", sagt Ulrich Held, der Autor der Studie. Ein gigantischer Markt lockt. Dass China trotz aller Fortschritte auch noch ein Entwicklungsland ist, wird laut Held dabei weniger bedacht. Es gibt keine gemeinsamen Projekte zur Armutsbekämpfung, obwohl in China derzeit noch rund zehn Prozent der Bevölkerung in extremer Armut leben.

Das heißt aber nicht, dass die Wirtschaftspartnerschaften von Kommunen zu Lasten ihres Nord-Süd-Engagements gehen. Laut Norbert Schürgers vom Nürnberger Amt für Internationale Beziehungen steht für die Regionalpartnerschaft mit Shenzhen ein jährliches Gesamtbudget von rund 30.000 Euro zur Verfügung, davon steuert Nürnberg 5000 Euro bei. Allein Nürnbergs Partnerstadt San Carlos in Nicaragua erhält dagegen jährlich 15.000 Euro sowie zusätzliche Drittmittel.

In Nürnberg hat die Industrie- und Handelskammer seit Beginn der Partnerschaft im Jahr 1997 mehr als 80 wirtschaftsbezogene Projekte durchgeführt. Zusätzlich gibt es einen Ärzteaustausch, Schüler- und Jugendprogramme, Kunstprojekte sowie Musik und Tanz. Sogar ein Journalistenaustausch mit der englischsprachigen „Shenzhen Daily" ist zustande gekommen. „Natürlich gibt es immer mal wieder Kritik an der Partnerschaft, weil in China Menschenrechte verletzt werden", sagt Schürgers. „Doch wir vertreten das Prinzip Veränderung durch Annäherung." Das Thema Menschenrechte könne man in China heute durchaus ansprechen. Schwieriger sei es, Bürger hier wie dort für die Partnerschaft zu begeistern. Vereine sind in China unbekannt, der Aspekt humanitärer Arbeit fällt weg. So bleibt die Partnerschaft im Wesentlichen eine Initiative der Nürnberger Stadtregierung und der Industrie- und Handelskammer.

Doch selbst mit Rückendeckung von der Politik kann die Wirtschaft nicht alles erreichen. Siemens bekam den Auftrag für den Bau der U-Bahn in Shenzhen dann doch nicht. Nur bei der Signaltechnik war der Elektronikriese dabei. Das Hauptgeschäft machte Frankreich.

Claudia Mende

Die Studie „Deutsch-chinesische Kommunalbeziehungen" gibt es unter: www.service-eine-welt.de

 

 

 

erschienen in Ausgabe 3 / 2009: Südafrika: Neue Freiheit, alte Armut

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