Dürfen schwangere Schülerinnen weiter zur Schule?

Eine junge afrikanische Frau schreibt konzentriert in einem  Klassenraum.
REUTERS/Victoire Mukenge
Eine Schülerin schreibt in Bukavu im Ostkongo Mitte 2025 eine Prüfungsarbeit. Wenn Schülerinnen hier schwanger werden, werden sie oft von der Schule verwiesen.
Demokratische Republik Kongo
Laut dem Erziehungsministerium der Demokratischen Republik Kongo sollen schwangere Schülerinnen künftig nicht mehr der Schule verwiesen werden. Die Katholische Kirche lehnt das aus Gründen der Moral ab und bekommt dafür im Kongo sowohl Kritik als auch Unterstützung.

Jedes vierte Mädchen in der Demokratischen Republik (DR) Kongo wird nach Angaben der NGO Ärzte der Welt vor dem 19. Lebensjahr schwanger. Teenager-Schwangerschaften sind nicht nur mit Gesundheitsrisiken verbunden, sondern auch sozial missbilligt. Und häufig müssen schwangere Teenager die Schule abbrechen, weil sie als schlechtes Vorbild für andere gelten, egal in was für eine Schule sie gehen. 

Damit eine Schwangerschaft im Teenager-Alter einem Mädchen nicht die gesamte Zukunft verbaut, hat das kongolesische Erziehungsministerium Mitte Juli eine Verordnung an alle 52.000 Schulen verschickt, dass sie schwangere Schülerinnen nicht mehr der Schule verweisen dürfen. Sie sollen ihnen auch als junge Mütter einen Schulabschluss ermöglichen. 

Dagegen laufen konservative Stimmen im Land Sturm und warnen vor einem allgemeinen moralischen Verfall. Der Schutz der anderen Kinder müsse Vorrang haben, sagte Joseph Godé Kayembe, Vorsitzender der Afrikanischen Liga für die Rechte von Kindern und Schülern, im Juli gegenüber einem Fernsehsender. Ein schwangeres Mädchen könne seine sexuellen Erfahrungen mit seinen Klassenkameradinnen teilen. Diese fänden ein solches Verhalten dann normal und ließen sich ebenfalls mit Männern ein. „Wir werden in Zukunft noch mehr schwangere Mädchen haben“, sagte Kayembe.

Die Kirche besteht auf "Moral" und "Disziplin" 

Die katholische Kirche hat angekündigt, dass die 18.000 Schulen in ihrer Trägerschaft sich nicht an diese Verordnung halten und weiterhin aus Gründen der Moral und der Disziplin schwangere Mädchen des Unterrichts verweisen werden; sie sollen stattdessen an staatliche Schulen gehen. Die Kirche beruft sich dabei auf eine Vereinbarung mit dem Staat, dass sie ihre Schulen nach den Werten der katholischen Kirche führen dürfe. Das bedeute, dass man „auf Moral und Disziplin der Schüler in Hinblick auf die guten Sitten“ bestehe. Und das schließe junge Mütter im Klassenzimmer aus. 

Auf Unverständnis stößt die Kirche mit dieser Haltung beim Nationalen Bildungsverband CONEPT. „Wir wollen die Zukunft der Mädchen nicht verbauen, nur weil in ihrem Leben ein Fehler passiert ist“, sagt Jacques Tshimbalanga, Koordinator bei CONEPT. „Gerade aus moralischen Gründen sind wir aufgerufen, denen zu helfen, die besonders verletzlich sind. Wir verstehen nicht, wie sich eine Kirche gegen solche Maßnahmen stellen kann.“

Junge Väter werden auch nicht bestraft

Auch staatliche Stellen können den Widerstand der Kirche nicht nachvollziehen. Mit ihrer Regelung wolle die Regierung erreichen, dass an den Schulen mehr über Sexualität und Verhütung gesprochen werde, und zwar mit Mädchen und Jungen, sagt Regierungssprecher Patrick Muyaya. „Die Kirche muss mit der Zeit gehen und akzeptieren, dass sich die Welt verändert.“ Man müsse über das Thema sprechen, um zu verhindern, dass noch mehr Mädchen im Teenageralter schwanger werden. Das betont auch das Erziehungsministerium in einem Communiqué

Auch der Nationale Elternverband ANAPECO begrüßt diese Anordnung. Es sei ein Schritt in Richtung Gleichstellung der Geschlechter. Schließlich könne ein Mädchen nicht ohne einen Jungen schwanger werden. „Im Gegensatz zu dem Mädchen kann er aber immer ungehindert seine Schullaufbahn fortsetzen“, sagte Steve Diatezwa, Präsident von ANAPECO. Schwangere Mädchen erführen eine doppelte Ausgrenzung. Denn auch zuhause würden Mädchen, die ein Baby hätten und unverheiratet sind, von ihren Eltern oft verstoßen und später als Prostituierte enden. 

Nicht nur im Kongo ein Problem

Die Diskussion, die derzeit in der DR Kongo geführt werde, sei keine spezifisch kongolesische, sagt Gisela Schneider, ehemalige Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm). Teenager-Schwangerschaften kämen überall in Afrika vor. Insbesondere im ländlichen Raum fehle es an Aufklärung über und Zugang zu Verhütungsmitteln. „Dass schwangere Schülerinnen nicht mehr zum Unterricht dürfen, ist auch nicht allein ein Problem in katholischen Schulen“, sagt Schneider. „Das geht deutlich tiefer. Es ist ein Grundsatzproblem in vielen afrikanischen Ländern. Von sehr vielen wird es als moralische Katastrophe angesehen, wenn ein Mädchen früh schwanger wird. Entsprechend versuchen die Mädchen, ihre Schwangerschaft zu verheimlichen. Ich habe erlebt, dass Mädchen bis zum Tag der Geburt versuchen, das aufrechtzuerhalten. Damit ist weder eine gute Vorsorge noch eine sichere Geburt möglich.“ 

Besonders dramatisch sei die Situation in Krisengebieten wie dem Ostkongo, wo sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen als Kriegswaffe eingesetzt wird. „Mädchen, die nach einer Vergewaltigung schwanger werden, sind doppelt gestraft“, sagt Schneider, die viele Male vor Ort war. Laut einer Studie des UN-Kinderhilfswerk Unicef vom April wird im Ostkongo in Zeiten heftiger Kämpfe jede halbe Stunde ein Kind vergewaltigt.

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Roller aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Dies ist keine Paywall.
Aber Geld brauchen wir schon:
Unseren Journalismus, der vernachlässigte Themen und Sichtweisen aus dem globalen Süden aufgreift, gibt es nicht für lau. Wir brauchen dafür Ihre Unterstützung – schon 3 Euro im Monat helfen!
Ja, ich unterstütze die Arbeit von welt-sichten mit einem freiwilligen Beitrag.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!