Kulturaustausch für Verwaltungsfachleute

Vier Menschen waten am 5. Oktober 2022 durch eine überflutete Straße in Ghanas Hauptstadt Accra
picture alliance / Xinhua News Agency
Menschen waten am 5. Oktober 2022 durch eine überflutete Straße in Ghanas Hauptstadt Accra. Starker langanhaltender Regen hatte einen Staudamm zum Überlaufen gebracht. Auch in Eschweiler wurden 2021 Teile der Innenstadt überflutet.
Ghana – Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen und sein Partnerland Ghana ermöglichen Mitarbeitenden von Ministerien und Behörden eine gegenseitige Hospitation. Das ergibt Lerneffekte auf beiden Seiten.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Landesbehörden von Nordrhein-Westfalen können in einem zehntägigen Aufenthalt in Ghana die Arbeit der Behörden dort kennenlernen. Umgekehrt kommen Ghanaer nach Düsseldorf, um dort einen Einblick in die Arbeit von Ministerien oder Behörden zu erhalten. Nordrhein-Westfalen ist seit 2007 mit Ghana in Westafrika in einer offiziellen Partnerschaft verbunden. 

Seit 2017 gibt es den bundesweit einmaligen Austausch auf der Verwaltungsebene des Bundeslandes, der in diesem Jahr zum siebten Mal stattgefunden hat. Mitarbeitende der Landesbehörden Nordrhein-Westfalens wie zum Beispiel Forstämter, Umwelt- oder Verkehrsministerium können sich mit einem Thema für den Austausch bewerben, dann werden entsprechende Partner in Ghana ausgesucht. Jeweils sechs bis acht Mitarbeitende aus Ghana hospitieren dann etwa zehn Tage lang in Nordrhein-Westfalen, anschließend fahren Kolleginnen und Kollegen von dort nach Ghana. Das gemeinsame Rahmenprogramm wird von der Organisation World University Service (WUS) in beiden Ländern organisiert, ansonsten gestalten die Tandempartner ihr Programm selbst. 

Mit dem Austausch sollen sie einen Einblick in „Arbeitsalltag, die Prozesse und die Strukturen der Behörde des jeweiligen Partners“ erhalten, sagt ein Sprecher der Landesregierung in Düsseldorf. Man wolle deren Arbeitsbedingungen kennenlernen und das interkulturelle Verständnis auf beiden Seiten fördern. „Dieser ‚echte‘ Blick in den jeweiligen Arbeitsalltag vor Ort ist durch nichts zu ersetzen und für alle Teilnehmer eine wertvolle Erfahrung“, sagt Nathanael Liminski, Nordrhein-Westfalens Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Medien. 

In den Austauschprogrammen geht es um Themen von nachhaltigem Verkehr und Energie über Forstwirtschaft bis hin zu sozialen Fragen wie Gesundheitsversorge oder Altenpflege. Auch Probleme wie die in Ghana weit verbreitete Korruption werden angesprochen. 

Ghana hat ähnliche Probleme wie Deutschland

Susanne Groß vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Düsseldorf war 2024 zehn Tage bei ihrer Tandempartnerin vom Gesundheitsministerium in Accra, Hannah Acquah. Groß schreibt in ihrem Erfahrungsbericht, es sei spannend gewesen zu sehen, dass man in Ghana teilweise vor ähnlichen Problemen stehe wie in Deutschland, etwa beim Thema Altenpflege. Zwar sei das System der professionellen ambulanten und stationären Altenpflege in Ghana noch sehr jung, so dass flächendeckende Angebote zur Versorgung von pflegebedürftigen Menschen außerhalb ihrer Familien fehlten. Doch ähnlich wie Deutschland kämpfe auch Ghana mit einem Fachkräftemangel in ländlichen Regionen. Gleichzeitig ist Altenpflege in Ghana als Beruf mit akademischer Bildung besser aufgestellt als in Deutschland, so Groß. Davon könne man in Deutschland lernen, wo man noch dabei sei, die Pflege als Beruf aufzuwerten. 

Groß zitiert ihre Tandempartnerin Hannah Acquah in ihrem Bericht, wonach Veränderungen in der ghanaischen Gesellschaft neue Strukturen bei der Versorgung älterer Menschen notwendig machen würden. Nach dem Besuch von Groß in Ghana wurden Kooperationen etwa zwischen dem Ghana College of Nurses and Midwives und der Hochschule für Gesundheit in Bochum angestoßen. 

Gemeinden in NRW und Ghana von Fluten betroffen

Auch nordrhein-westfälische Kommunen mit Partnerstädten in Ghana bringen ihre Verwaltungen im Rahmen eines kommunalen Fachaustauschs zusammen, der von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) gefördert wird. Hierbei gibt es aber keine Hospitanzen, sondern die Stellen arbeiten projektbezogen zusammen. Bonn, Essen, Dortmund, Münster und Eschweiler bei Aachen haben sich in unterschiedlicher Weise an diesem Fachaustausch beteiligt. 

Dabei besteht eine Asymmetrie: Die Stadt Bonn etwa hat rund 7000 Mitarbeitende, wenn man die Eigenbetriebe wie Stadtwerke mitrechnet, ihre Partnerstadt Cape Coast gerade einmal 200. Die finanzielle Ausstattung ist trotz aller Sparzwänge in Deutschland nicht vergleichbar mit dem schmalen Budget einer ghanaischen Kommune. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte. Eschweiler und seine Partnerstadt Keta waren beide bereits von schweren Überschwemmungen betroffen: In Eschweiler wurden 2021 während der verheerenden Flut im Ahrtal große Teile der Innenstadt verwüstet. Keta liegt direkt am Meer und ist zudem von Küstenerosion betroffen, Siedlungen werden immer häufiger überschwemmt. „Das Wasser kommt nachts“, sagt Jan Schuster von der Stadt Eschweiler, „und die Menschen versuchen dann, das Nötigste aus ihren Häusern zu retten – in Eschweiler wie in Keta.“ 

Diese Erfahrung hat beide Kommunen verbunden, Anpassung an den Klimawandel wurde als wichtigste Priorität für die Zusammenarbeit identifiziert. 2022 kam der Bürgermeister von Keta mit zwei Mitarbeitenden nach Eschweiler, 2023 gab es den Gegenbesuch aus Eschweiler. Doch neben der Projektarbeit hält Jan Schuster das Kennenlernen der interkulturellen Unterschiede für einen wichtigen Nebeneffekt der Kooperation. „Wir haben in Eschweiler wie auch in vielen anderen deutschen Kommunen eine diverse Bevölkerung, auch viele Bürger mit einem afrikanischen Hintergrund. Für die Mitarbeiter in der Verwaltung ist es auf jeden Fall von Vorteil, die kulturellen Unterschiede besser zu verstehen.“ 

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