Mit Indien will die EU bis Jahresende das Handelsabkommen abschließen, über das beide Seiten mit einer längeren Unterbrechung seit 2007 verhandeln. Doch vor der nächsten Verhandlungsrunde, die am 6. Oktober begonnen hat, sind noch so viele Fragen offen, dass die Frist vermutlich verlängert werden muss. Strittig sind vor allem die Regeln für den Handel mit Agrarprodukten und zum Umwelt- und Klimaschutz.
Indien sperrt sich insbesondere gegen den sogenannten CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Nach einer Übergangsphase seit 2023, in der die Importeure die Emissionen der Waren zunächst nur erfassen und melden mussten, tritt er im kommenden Januar in Kraft: Dann erhebt die EU auf viele Importprodukte ausländischer Unternehmen Abgaben, wenn die Unternehmen – anders als EU-Hersteller – keine Emissionszertifikate kaufen müssen. Das betrifft etwa den Handel mit Dünger, Zement, Aluminium und Stahl. Brüssel will auf diese Weise Wettbewerbsnachteile europäischer Unternehmen reduzieren und verhindern, dass diese ihre Produktion und die dabei entstehenden Emissionen ins Ausland verlagern (carbon leakage). Zugleich soll die Abgabe andere Länder ermutigen, mehr für den Klimaschutz zu tun.
Ein Zugeständnis der EU reicht Indien nicht
Indien hatte schon im Frühjahr gewarnt, es werde die Verhandlungen über ein Handelsabkommen platzen lassen, wenn die EU am CBAM in vorliegender Form festhalte. Die indische Regierung fordert vor allem Erleichterungen für kleine Unternehmen. Zwar hatte Brüssel zu dem Zeitpunkt bereits Ausnahmen für „kleine oder vernachlässigbare“ Importe der betroffenen Produkte beschlossen, aber offenbar reicht das den indischen Unterhändlern nicht. Nach der letzten Verhandlungsrunde im September in Neu-Delhi sagte EU-Chefunterhändler Christophe Kiener bei einer Anhörung im Europäischen Parlament, die Gespräche seien weiter „herausfordernd“: Indien lehne den CBAM weiterhin klar ab.
Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika kritisieren den CBAM schon seit Jahren. Sie bemängeln, der Mechanismus unterscheide nicht zwischen Importen aus ärmeren und reichen Ländern und verletze deshalb den klimapolitischen Grundsatz von der „geteilten, aber unterschiedlichen Verantwortung“.
Das gleiche Recht wie die USA?
Seit dem Sommer ist Brüssel in dieser Hinsicht noch einmal verstärkt in Erklärungsnöten: Im Zollabkommen mit US-Präsident Donald Trump vom vergangenen August verpflichtet die EU-Kommission sich nämlich, man werde angesichts von „Bedenken“ der USA „zusätzliche Flexibilitäten“ zugunsten von kleinen und mittleren US-Unternehmen anbieten. Das südafrikanische Handelsministerium forderte daraufhin in einem Brief an die EU-Kommission, Südafrika und anderen Entwicklungsländern müssten ebenfalls Konzessionen eingeräumt werden. Eine EU-Sprecherin ließ in einer Pressekonferenz offen, ob und wie die Kommission darauf eingehen will. Südafrika und Indien sehen im CBAM eine handelspolitische Maßnahme zum Schutz der EU-Industrie, während Brüssel darauf besteht, der Mechanismus diene in erster Linie dem Klimaschutz.
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