Wirtschaftsverbände machen immer wieder deutlich, was aus ihrer Sicht bisher nicht so gut läuft: Bei der Finanzierung von Handel und Investitionen oder ihrer Absicherung gegen Risiken biete der Staat nur unzureichende und teils praxisferne Unterstützung im Vergleich zu anderen Ländern, die Verfahren seien zu langsam. Wenn internationale Entwicklungsbanken Projekte ausschrieben, etwa zum Bau eines Wasserkraftwerks, komme im Bieterverfahren zu häufig Konkurrenz aus China zum Zug.
Die neue schwarz-rote Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, auch die Entwicklungszusammenarbeit stärker an Interessen heimischer Unternehmen auszurichten. In Bundestagsdebatten haben Unionsvertreter bereits ungeduldig gefragt, wann die SPD-Ministerin das denn umsetze. Es gibt Hinweise, dass diese Schwerpunktverschiebung im BMZ, wie auch die Kürzung seines Etats, Teil eines Handels zwischen Union und SPD waren, damit das BMZ mit Zustimmung der Union als eigenständiges Ministerium erhalten bliebe.
Auch wertegeleitete Arbeit soll weitergehen
Nun hat Alabali Radovan diese Woche bei einer halbtägigen Konferenz den dreiseitigen Aktionsplan „Starke Partnerschaften für eine erfolgreiche Wirtschaft weltweit“ vorgestellt. Er hat drei Säulen: das Angebot, als BMZ stärker in den Dialog mit international tätigen deutschen Unternehmen zu treten, Hürden bei Ausschreibungen aus der öffentlichen Entwicklungshilfe anzugehen sowie in der Förderpolitik stärker auf Bedürfnisse des Mittelstands für Geschäftsanbahnungen einzugehen und das Ziel sichere Rohstoffversorgung im Blick zu haben.
Die Ministerin betonte auf der Konferenz, man werde „weiterhin beides machen“: auch wertebasierte Arbeit für nachhaltige Entwicklung, Krisenprävention, Hilfe gegen Hunger und Armut und für Klimaschutz. Es werde stärker nach Land differenziert, so dass es etwa mit den Schwellenländern Südafrika oder Indien stärker um beidseitige Wirtschaftsinteressen gehe. Denn klar sei: Öffentliche Mittel für Entwicklungshilfe würden knapper. Ihr Interesse sei es, sagte die Ministerin, dass in Partnerländern die Wirtschaft wachse, mehr Wertschöpfung und gute Arbeite entstehe. Und wenn das mit Hilfe deutscher Firmen geschehe und partnerschaftliche Länderbeziehungen des BMZ ihnen Türen öffneten, dann um so besser.
Wachstumsmärkte und Rohstoffe sind im Süden
Dass 85 Prozent aller Menschen im globalen Süden leben und dort mehr als zwei Drittel des globalen Wirtschaftswachstums entstehe, war Leitmotiv der Konferenz. Die Märkte dort wüchsen doppelt so schnell wie in Europa. Unter den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften seien 13 aus Afrika, mit Wachstumsraten über fünf Prozent etwa in Senegal, Äthiopien, oder Ghana. „Deutschland braucht Partner im globalen Süden für unsere wirtschaftliche Zukunft“, so Alabali Radovan.
Vor den Regierungsverhandlungen mit Ghana über Schwerpunkte der Länderzusammenarbeit wird das BMZ erstmals Unternehmensvertreter einladen, ihre Anliegen dazu einzubringen. Vor Verhandlungen mit anderen wichtigen Partnerländern soll dies zur Regel werden. Das begrüßt das Deutsche Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS): Solche Sondierungen könnten dazu beitragen, dass verschiedene Bundesministerien für einzelne Länder und Regionen gemeinsam Ziele von gesellschaftlichem Interesse formulieren und ihre Instrumente koordinieren. Etwa bei der Rohstoffversorgung könnten kleine wie große deutsche Unternehmen ihre Geschäftsvorhaben mit technischer und finanzieller Zusammenarbeit verzahnen.
Qualitätsstandards statt Lieferbindung
Wirtschaftsverbände beklagen auch, dass zu wenige Aufträge aus der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit an deutsche Firmen gingen. Der DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sagte im Vorfeld der Konferenz, es seien nur etwa 11 Prozent – weit unter dem EU-Durchschnitt von 34 Prozent. Das IDOS rät grundsätzlich von Vorgaben ab, wie viele Aufträge aus Entwicklungshilfe an deutsche Firmen gehen müssen, sogenannten Lieferbindungen. Das BMZ verspricht aber, sich für verbesserte Vergabekriterien bei Ausschreibungen einzusetzen. Alabali Radovan und Finanzminister Lars Klingbeil kündigten an, bei der Herbsttagung der Weltbank für höhere Qualitätsstandards bei Aufträgen der Weltbank und regionaler Entwicklungsbanken zu werben, so dass europäische Bewerber im Wettbewerb mit kostengünstigen chinesischen Bietern bessere Chancen hätten.
In der Säule Förderinstrumente sieht der Aktionsplan des BMZ für Mittelständler einen neuen digitalen „Förderlotsen Wachstumsmärkte“ vor, der Orientierunggeben soll, welche Geschäftsideen wo im globalen Süden für Unterstützung in Frage kämen. Und bei einer neuen Institution „TradeConnect“ sollen sich Firmen aus Nord wie Süd gegen Verlustrisiken bei kleineren Ex- und Importgeschäften absichern können, für die es einen Markt, bisher aber keine Finanzierung gibt. Das soll auch den Kauf von Technik „made in Germany“ fördern.
Mahnungen aus den Außen- und Wirtschaftsressorts
Die Unionspolitiker Stefan Rouenhoff, parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, und Serap Güler, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, mahnten, der neue Ansatz könne nur erfolgreich sein, wenn Entwicklungs-, Außen- und Außenwirtschaftspolitik zusammen gedacht würden. Auch Wirtschaftsvertreterforderten, sich von der Projektlogik hin zur Verknüpfung von EZ mit Handel, Investitionen und Rohstoffsicherheit zu bewegen. Dies sei derzeit nicht die Norm, so Güler bei der Konferenz. Rouenhoff zeigte sich aber nach der Einsetzung einer neuen interministeriellen Arbeitsgruppe und der Vorlage des Aktionsplans optimistisch, dass alle Ministerien bei der Berücksichtigung der Wirtschaft an einem Strang ziehen würden. Bis Ende des Jahres möchte Rouenhoff da Ergebnisse sehen.
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