Kein später Triumph

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Al-Bashir vor dem IStGH
Wird Sudans Ex-Diktator doch an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt? Vielleicht – doch dem Gericht würde das wenig helfen, meint Bernd Ludermann.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat 2009 und 2010 wegen Kriegsverbrechen und Völkermord in der Region Darfur zwei Haftbefehle gegen Omar al-Bashir ausgestellt, den damaligen Staatschef des Sudan. Doch so lange der im Amt war, hat ihn keine Regierung, in deren Land er zu Besuch war, verhaften wollen. Nach seinem Sturz im April 2019 wurde al-Bashir im Sudan wegen Korruption der Prozess gemacht; es sah nicht so aus, als sollte der IStGH den 76-Jährigen noch in die Finger bekommen. Da ist es ein Paukenschlag, wenn ein Vertreter der Übergangsregierung nun laut Medienberichten erklärt, er werde nach Den Haag ausgeliefert.

Aber hat er das? Die Erklärung hat am Dienstag ein Mitglied der Delegation abgegeben, die mit Rebellengruppen der Region Darfur über ein Ende des Konflikts dort verhandelt. Sie sei missverständlich, erklärt die Sudanexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Annette Weber: Tatsächlich hätten die Regierung und die Darfuris sich auf einen Prozess unter Beteiligung des IStGH geeinigt – aber nicht in Den Haag, sondern im Sudan.

Das ist ein Kompromiss zwischen Gegnern und Befürwortern einer Auslieferung, auch in der Regierung. Er zeigt, wie heikel die Frage ist. Die Übergangsregierung möchte den Krieg in Darfur beilegen, und gerade Opfer des Krieges dort wollen al-Bashir in Den Haag sehen. In der Regierung sind Vertreter der zivilen Gruppen, die den Sturz Bashirs mit ihren Protesten herbeigeführt haben, grundsätzlich für eine Auslieferung. Das Militär, das die andere Hälfte der neuen Regierung stellt, ist uneins: Manche Vertreter der regulären Streitkräfte akzeptieren einen Prozess vor dem IStGH, die Spezialeinheiten und insbesondere die Rapid Support Forces (RSF) lehnen ihn ab. Das ist kein Wunder: Diese Milizen haben in Darfur gewütet und sind unter al-Bashir zur wirtschaftlichen und politischen Macht im Sudan aufgestiegen. Ihr Führer Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, ist einer der mächtigsten Männer in der neuen Regierung.

Ein Prozess bleibt riskant

Zudem ist anscheinend auch manchen Gegnern al-Bashirs beim Gedanken an seine Auslieferung nicht ganz wohl. Auch das ist kein Wunder. Der IStGH hat vier Sudanesen wegen Verbrechen in Darfur angeklagt, darunter ein Mitglied der dortigen Rebellengruppe Justice and Equality Movement (JEM); ein Prozess würde also auch deren Kriegsverbrechen ins Licht rücken. Und bei jedem Prozess gegen al-Bashir kann der auspacken, zahlreiche Mittäter belasten und Details aus den Macht- und Ränkespielen unter seiner Präsidentschaft preisgeben. Das wäre bedrohlich – vor allem, aber nicht nur für Hemeti und seine große Klientel. An den Folgen könnte leicht die Übergangsregierung zerbrechen. Die sozialen Bewegungen wissen, dass ein Prozess gegen al-Bashir riskant ist und der Zeitpunkt genau bedacht werden muss.

Der Kompromiss, ein Prozess im Sudan unter Beteiligung des IStGH, ist ein Ergebnis dieser politischen Lage. Was er genau besagt, ist unklar: Möchte die sudanesische Regierung eine Art gemischtes Tribunal wie in Kambodscha, in dem einheimische Richter neben internationalen sitzen? Soll der IStGH in Khartum tagen? Ein Prozess im Sudan würde dort sicher stärker öffentlich wahrgenommen als einer in den Niederlanden. Aber es ist unklar, ob der IStGH überhaupt das Mandat zu so etwas hätte. So erklärt sich wohl das auffallende Schweigen in Den Haag: Das Gericht hat die Ankündigung des Sudan noch nicht kommentiert.

Die Anklage hat ihr eigentliches Ziel verfehlt

Das ist weise. Dass al-Bashir je in Den Haag erscheinen wird, ist weiter sehr zweifelhaft. Und selbst wenn, wäre das zwar eine wichtige Genugtuung für die Opfer seiner Diktatur. Es würde aber nichts daran ändern, dass die Anklage gegen al-Bashir ihr eigentliches Ziel nicht erreicht hat. Sie war 2009 eine Art Lackmustest: Würde der IStGH wirklich amtierende Regierungschefs anklagen und ihnen bei Kriegsverbrechen in den Arm fallen können? Dieser Versuch ist gescheitert. Der UN-Sicherheitsrat hat Den Haag zwar 2005 ermächtigt, zu Darfur zu ermitteln, obwohl der Sudan dem Gericht nicht beigetreten war (und bis heute nicht ist). Aber er hat es dann hingenommen, dass die Staaten, die al-Bashir festnehmen konnten, ihn ziehen ließen.

Heute hat der IStGH noch viel weniger Hilfe aus dem Sicherheitsrat zu erwarten. Alle anderen Verfahren gegen hohe amtierende Politiker sind gescheitert. Wenn der IStGH nun al-Bashir zu fassen bekommt, muss er ihm natürlich den Prozess machen. Auch dann aber lautet das Signal an andere Kriegsverbrecher: So lange ihr im Amt bleibt, kommt ihr davon. Wie immer die Sache ausgeht, für Triumphgeheul gibt es in Den Haag keinen Grund.

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