„Unsere Religion verpflichtet uns zur Hilfe“

„Unsere Religion verpflichtet uns zur Hilfe“

Islamic Relief will sich an entwicklungspolitischer Diskussion beteiligen

Die Hilfsorganisation Islamic Relief Deutschland ist zum Jahresanfang als erste islamische Organisation in den Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) aufgenommen worden. Geschäftsführer Tarek Abdelalem erläutert im Interview, welche Ziele seine Organisation hat und was sie zur deutschen Entwicklungspolitik beitragen will.

Versteht sich Islamic Relief eher als Nothilfeorganisation oder als Hilfswerk, das die langfristige, lokal verwurzelte Hilfe im Blick hat?

Islamic Relief ist in den 80er Jahren als Nothilfeorganisation entstanden, um auf die Hungerkrisen in einigen afrikanischen Staaten zu reagieren. Seit 1992 nehmen Projekte zur langfristigen Hilfe einen immer größeren Stellenwert ein. Wir verstehen die Förderung der Schul-, Berufsund Weiterbildung von Jungen, Mädchen und Erwachsenen als zentralen Schlüssel für Entwicklung. Langfristige Projekte um fassen aber auch Einkommenssicherung, Hilfe zur Selbsthilfe, Gesundheitsprogramme, um das soziale Leben nachhaltig positiv zu beeinflussen. Es geht darum, das Selbstbewusstsein der bedürftigen Menschen für die eigene Familie wie auch für das Umfeld zu stärken.

Islamic Relief Worldwide wurde 1984 in England gegründet und ist seit 1996 auch in Deutschland als Spendenorganisation tätig. Arbeiten Sie mit anderen deutschen Hilfsorganisationen zusammen?

Es gibt viele Kontakte, aber wir sind noch in der Kennenlernphase. Wir haben uns bei verschiedenen Organisationen und Institutionen zunächst einmal vorgestellt. Mit dem Auswärtigen Amt und der Stiftung Stern e.V. haben wir Hilfsprojekte für die Erdbebenopfer in Pakistan durchgeführt. Viele deutsche Organisationen und Institutionen kennen unsere Arbeit bereits über Begegnungen in den Empfängerländern.

Sie sind inzwischen Mitglied bei VENRO. Wollen Sie sich künftig auch in die entwicklungspolitische Debatte in Deutschland einbringen?

In erster Linie möchten wir unsere Arbeit in der deutschen entwicklungspolitischen Landschaft bekannter machen. Im nächsten Schritt sind wir aber durchaus daran interessiert, uns in die Strategie- Entwicklung für eine effektive Armutsbekämpfung einzubringen. Islamic Relief Worldwide führt eine Abteilung namens Research Unit, die sich schwerpunktmäßig mit entwicklungspolitischen Themen befasst, etwa der Definition von Armut, Familienwerten, HIV/Aids aus islamischer Sicht, Gleichberechtigung. In Deutschland möchten wir unsere Arbeit an diesen Themen verstärken.

Fördert Islamic Relief auch die Arbeit lokaler Organisationen vor Ort?

Nein, Islamic Relief Worldwide führt seine Programme selbst durch und ist in 26 Ländern mit eigenen Büros vertreten. Die Mitarbeiter dort sind verantwortlich dafür, den Kontakt zu den Empfängern zu pflegen und sie für die erfolgreiche Durchführung der Projekte zu mobilisieren. Es geht darum, dass die Bedürftigen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Die Bewohner eines Dorfes sollen den Bau eines Brunnens als ihr eigenes Projekt begreifen und die Verantwortung für sein Funktionieren und seine Wartung selbst übernehmen. Durch die Präsenz vor Ort ist auch eine größere Kontrolle über die Verwendung der Hilfsgelder möglich.

Arbeitet Ihre Organisation mit Moscheen oder islamischen Verbänden zusammen?

In den Empfängerländern gibt es keine direkte Zusammenarbeit. Auch hier in Deutschland achten wir strikt auf Neutralität. Wir schalten Anzeigen in wichtigen Zeitschriften und im türkischen und arabischem Fernsehen und sprechen unsere Spender sonst überwiegend per Post an.

Gibt es für Islamic Relief eine religiös begründete Verpflichtung, für die Armen einzustehen und als „Stimme der Unterdrückten“ aufzutreten?

Wir haben den Anspruch, gemeinsam für eine bessere Zukunft einzutreten. Religion spielt natürlich eine große Rolle bei der Spendenmotivation. Als islamische Organisation arbeiten wir gemeinsam mit Hilfe unserer Spender für das Wohlergehen der Bedürftigen. Unsere Religion verpflichtet uns zu Wohltaten und Spenden. Ich möchte es so ausdrücken: Islamic Relief versteht sich als Brücke zwischen Spendern und Hilfeempfängern. Die Fragen stellte Bettina Stang

welt-sichten 1-2008

 

erschienen in Ausgabe 1 / 2008: Globale Ungleichheit
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