Über Korruption in der Familie Bhutto wird weiter vor Gericht gestritten
Von Bettina Stang
Eine Milliarde US-Dollar soll Pakistans frühere Premierministerin Benazir Bhutto während ihrer Amtzeiten in den 1980er und 1990er Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Asif Ali Zardari veruntreut und auf ausländische Konten umgeleitet haben. Pakistan hat das Verfahren kürzlich aus politischer Rücksichtnahme eingestellt, doch in der Schweiz wird auch nach der Ermordung der Politikerin weiter ermittelt.
Als Beleg für die Vorwürfe hatte Pakistans Justiz im Jahr 1997 ein Dossier mit Provisionsvereinbarungen präsentiert, das die Behörden von einem Mittelsmann aus dem Umfeld der Bhuttos gekauft hatten. Danach hatten ausländische Unternehmen dem Politiker-Ehepaar hohe Provisionszahlungen zukommen lassen – als Dank für umfangreiche Aufträge. Die Dokumente verdeutlichten zudem, dass Konten in Dubai und der Schweiz existierten und dass die Familie Bhutto-Zardari einem kleinen, auf den Britischen Jungferninseln registrierten Firmenimperium vorstand. Pakistan bat die Schweiz um Rechtshilfe. Daraufhin ordnete die damalige Bundesanwältin Carla del Ponte eine nähere Untersuchung der Geldflüsse an.
Nach Angaben von Transparency International (Global Corruption Report 2004) spürten die Ermittler zunächst 800 Millionen US-Dollar auf rund 500 Schweizer Konten auf. Dann konzentrierten sie sich auf einen einzelnen Fall: die Geschäftsbeziehungen zwischen den Bhuttos und einer Schweizer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit der Aufsicht über die als korrupt geltenden pakistanischen Zollbehörden betraut war. Die Ermittlungsergebnisse, nach denen Schmiergelder in Höhe von 4,3 Millionen US-Dollar geflossen waren, wurden an Pakistan weitergeleitet. Dort wurde das Paar Bhutto-Zardari 1999 zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von 8,6 Millionen US-Dollar verurteilt. Bhutto ging in Berufung und verließ das Land in Richtung Großbritannien. Asif Zardari dagegen – wegen seiner Provisionsforderungen landesweit als „Mister Zehnprozent“ bekannt – blieb auf Grund weiterer Vorwürfe in Untersuchungshaft.
Bhuttos Berufung war erfolgreich: Wegen Parteilichkeit der Richter wurde das Urteil 2001 wieder aufgehoben. Gleichzeitig aber ordnete das Berufungsgericht die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Die neuen Ermittlungen zogen sich hin, bis schließlich Präsident Pervez Musharraf im vergangenen Jahr den Weg für Benazir Bhuttos Rückkehr ebnete: Im Namen der „Nationalen Versöhnung“ erklärte die Regierung per Dekret alle vor 1999 angestrengten Korruptionsverfahren gegen öffentliche Amtsträger für nichtig.
Bhutto und Zardari hatten die Korruptionsvorwürfe immer als ausschließlich politisch motiviert zurückgewiesen. Bis heute betonen Anhänger ihrer Pakistan People’s Party, dass das Paar nie rechtskräftig verurteilt wurde. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: In der Schweiz ist nach wie vor ein Verfahren gegen Bhutto wie auch gegen Zardari anhängig. Bereits 2003 waren dort beide wegen „einfacher Geldwäsche“ vorläufig zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem sollte das Paar zwölf Millionen US-Dollar an Pakistan rücküberweisen. Nachdem Bhutto-Zardari auch hier in Berufung gegangen waren, ging das Verfahren in die nächste Instanz. Die weitete die Anklage sogar aus. Sie lautet jetzt auf „gewerbsmäßige Geldwäscherei“.
Bettina Stang ist freie Journalistin in Hannover.
welt-sichten 2/3-2008