Kenias Krise und die Rolle der Intellektuellen

Pambazuka News(London/Kenia/Tansania, 7.2.2008): Nach den Wahlen im Dezember haben in Kenia Volksgruppen, die zuvor friedlich miteinander gelebt hatten, Greueltaten aneinander begangen. In der Diskussion nach den Gründen dafür werde vornehmlich der Opportunismus und die Gier der politischen Klasse betont, schreibt Simon Gikandi im Internet-Forum zur sozialen Gerechtigkeit in Afrika. Vernachlässigt werde dagegen die Rolle der Intellektuellen, das heißt der Gruppe von Bürgern, „die uns ohne Rücksicht auf die Ansprüche der Machtpolitik und ohne den gefährlichen Cocktail von Sektierertum und Karrierestreben die theoretischen Grundlagen zur Regelung öffentlicher Angelegenheiten liefern sollte. Tatsächlich haben wir als kenianische Intellektuelle seit 1982 unsere Verantwortung als Hüter des freien Gedankens nicht mehr wahrgenommen und bereitwillig die Possen und die Taktiererei der Politiker unterstützt.“

Auch wenn keine Intellektuellen in „Stammeskleidung“ über die Dörfer ziehen und Macheten schmieden, sei es eine bekannte Tatsache, dass in Kenia „einige unserer hervorragendsten Denker die Ideen und die Ausdrucksweise hervorgebracht haben, die den Stammeskonflikt angeheizt haben“, schreibt Gikandi. Ihr schwerwiegendster Fehler sei gewesen, dass sie sich nicht deutlich vernehmbar zu Wort gemeldet hätten, wenn die jeweilige Regierung oder ihre Gegner „unsere Werte und die Geschichten, die wir uns erzählen“, für ihre eigene Zwecke missbraucht hätten.

Am deutlichsten zeige sich dieses Scheitern am Beispiel der an Kenias Oberschulen verwandten Geschichtsbücher: Die seien „alle in einer Weise verfasst, um den Lehrplan des Erziehungsministeriums zu bestätigen“. Gerade der Abschnitt über die politischen Führer im Lehrplan zur neueren Geschichte zeige, was dabei herauskomme, wenn das Prinzip der Wahrheit den Erfordernissen der Bürokratie geopfert werde: Die Erfolge von führenden Politikern wie Jomo Kenyatta und Daniel arap Moi würden dargestellt, „ohne auch nur einen Hinweis auf ihre monumentalen Fehler zu geben, die zur gegenwärtigen Krise geführt haben. Die in unseren Schulen verwandten Geschichtsbücher geben noch nicht einmal vor, zu kritischem Denken einladen oder grundlegende Fragen zur Geschichte, ihren Ereignissen oder Idealen stellen zu wollen.“

Gikandi geht scharf mit den Intellektuellen ins Gericht: „Die Personen, die einen Weg aus der Krise aufzeigen sollten, indem sie die umfassenderen Ideale fördern, die das Land weiterhin zusammenhalten könnten, scheinen heute als kalte Krieger der Plutokraten zu fungieren.“ Das sei darauf zurückzuführen, dass Präsident Moi 1982 systematisch den Universitäten ihre Autonomie genommen habe. Den Wissenschaftlern, die nicht wie der Autor ins Exil gegangen seien, sei meist nichts anderes übrig geblieben, als sich zu Bütteln des Staates zu machen.

www.pambazuka.org

welt-sichten 2/3-2008

  

 

erschienen in Ausgabe 2 / 2008: Pakistan - Staat in der Dauerkrise
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