Wald oder Öl? - Streit um ein Moor im Kongo

epd-bild/Judith Raupp/Judith Raupp
Die Hütten der Fischer im Dorf Mpeka am Ruki Fluss . Das riesige Moor im Kongo ist entscheidend für das Weltklima. Die Regierung will dort nach Öl bohren, der Norden will das Moor schützen, damit das CO2 nicht freigesetzt wird. Und die Menschen im Dorf sitzen zwischen den Stühlen.
Klimawandel
Fischer Ikolongo lebt mit seiner Familie in einem riesigen Moor im Kongo. Das Gebiet ist entscheidend für das Weltklima. Aber für die Menschen dort wird es immer schwieriger zu überleben, obwohl sie buchstäblich auf immensem Reichtum sitzen. Die Regierung will dort nach Öl bohren und verspricht Wohlstand, die Geldgeber aus dem Norden wollen das Moor erhalten.

Goma, Mpeka -  Jean Paul Ikolongo weiß nicht mehr, wem er trauen soll, seit Politiker aus der Hauptstadt Kinshasa und Forscher aus dem Ausland in sein Dorf Mpeka gekommen sind. Die einen sagen dem kongolesischen Fischer, er soll gehen, damit Firmen nach Öl suchen können. Die anderen wollen, dass er bleibt und auf Bäume aufpasst.

Ikolongos Dorf liegt im Nordwesten der Demokratischen Republik Kongo im zentralafrikanischen Regenwald und mitten im weltweit größten tropischen Torfgebiet. In diesem Moor, halb so groß wie Deutschland, lagern 29 MilliardenTonnen CO2. Das entspricht laut Forschern der Universitäten Kisangani, Leeds und London den Emissionen fossiler Brennstoffe, die die Welt in drei Jahren ausstößt. Soll die Erde nicht noch wärmer werden, muss das Treibhausgas im Boden bleiben.

Im Torfgebiet befinden sich aber auch die Blöcke Nummer 4, 4B und 22. Sie sind Teil der 27 Regionen, in denen Kongos Regierung Öl verortet. 22 Milliarden Barrel sollen es insgesamt sein. Firmen können seit Juli letzten Jahres um Lizenzen bieten, damit sie nach Öl suchen und es ausbeuten können. Es wäre ein Milliardengeschäft für ein Land, wo die meisten Menschen arm sind, obwohl es reich an Rohstoffen ist.

Das Versprechen vom schönen Zuhause

Die Männer aus Kinshasa haben Ikolongo erklärt, dass alle 1.000 Einwohner aus Mpeka wegziehen müssten, wenn die Ölfirmen kämen. Es sei gefährlich, neben Bohrtürmen zu wohnen. Aber anderswo würde die Regierung schöne Häuser für die Fischer bauen. Auch Schulen und Krankenhäuser würden für die Menschen überall im Land errichtet.

Von einem schönen Zuhause träumt Ikolongo schon lange. Während der 60-jährige Fischer in seiner Hütte auf einem Plastikstuhl sitzt, schwappt ihm Wasser über die Füße. Es ist Regenzeit. Fast alle Buden entlang des Ruki-Flusses sind überschwemmt. Damit die Familie zu Hause bleiben kann, hat Ikolongo zusätzliche Bretter als provisorischen Boden über dem Wasserspiegel eingezogen. Aber die Fluten dringen immer wieder ins Wohnzimmer. Das Wasser dient als Toilette, Badewanne und Geschirrspülbecken.

Pech ist, wenn Ikolongo, seine Frau oder eines seiner 16 Kinder Cholera bekommen. Bis zum Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Mbandaka dauert es mit dem Paddelboot einen Tag. „Wir vegetieren wie Tiere im Stall“, schimpft er. Ikolongo überlegt deshalb, ob es besser wäre, wegzuziehen.

Den Geldgebern im Norden missfallen die Pläne der Regierung

Allerdings waren auch Forscher aus Großbritannien in Mpeka. Sie haben Ikolongo erklärt, das Klima sei schuld, dass er keine Elefanten zum Jagen mehr findet, und die Fische immer weniger werden. Er solle bleiben und keine Bäume mehr fällen. Dann werde vieles wieder besser. Nur, womit soll seine Frau kochen, wenn nicht mit Feuerholz?

Den Geldgebern im Norden missfällt es, dass Kongos Regierung Öl fördern will. Der Regenwald dort nimmt im Gegensatz zum brasilianischen netto noch Treibhausgase auf. Damit das so bleibt, finanzieren einige Länder seit 2015 Projekte im Rahmen der zentralafrikanischen Waldinitiative. Dafür hat Deutschland bisher 151 Millionen Euro gegeben.

Das Torfgebiet, in dem Mpeka liegt, unterstützt Deutschland zusätzlich mit 15 Millionen Euro über sechs Jahre, unter anderem für die Kontrolle der Torfqualität. Sollte der Kongo allerdings Öl im Regenwald fördern, würde das „zwangsläufig Auswirkungen auf die Finanzierung von Naturschutzgebieten nach sich ziehen“, sagt eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums in Berlin.

Greenpeace: Öl-Auktion stoppen

Der kongolesische Historiker Aloys Tegera findet das anmaßend. Die „großen Verschmutzer“ im Norden seien reich geworden, weil sie fossile Energien genutzt hätten. „Und nun sagen sie uns, erhaltet bitte die Lunge der Erde“. Wenn die Regierung auf das Ölgeschäft verzichten und 90 Millionen Menschen im Kongo keine Holzkohle mehr zum Kochen verwenden sollen, müsse das Land entschädigt werden.

Tegera ist es allerdings wichtig, dass nicht die Regierung das Geld für Klimaschutz bekommt. Eine neutrale Instanz müsse es verwalten, damit es nicht veruntreut werde. Greenpeace und neun weitere Umweltorganisationen werfen Ölminister Didier Budimu vor, dem Ministerrat zunächst nicht alle Ölblöcke vorgelegt zu haben, die er ausschreiben wollte. Außerdem wolle er zwei Blöcke heimlich einem Geschäftspartner zuschanzen. Die Umweltschützer fordern, die Öl-Auktion sofort zu stoppen.

Während sich Umweltschützer und Politiker in Kinshasa streiten, ist der Fischer Ikolongo in Mpeka immer noch unentschlossen, mit wem er ins Geschäft kommen will. Der Wald und das Moor gehörten jedenfalls ihm und den anderen Dorfbewohnern, glaubt er. Wer auch immer irgendetwas dort wolle, müsse bezahlen. Denn Ikolongo will sich endlich satt essen, ein Dach über dem Kopf haben und soliden Boden unter den Füßen. 

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