Mühsame Suche nach afrikanischen Lösungen

Mühsame Suche nach afrikanischen Lösungen

Afrikanische Friedensmissionen sind häufig auf Hilfe aus dem Westen angewiesen

Von Andrews Atta-Asamoah

Seit der Gründung der Afrikanischen Union 2002 bemühen sich afrikanische Regierungen ver - stärkt, selbst für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent zu sorgen. Auch regionale Organisationen haben ihr Mandat um sicherheitspolitische Anliegen ergänzt. Für wirksame Friedenseinsätze fehlt ihnen jedoch häufig das Geld – und oft auch der politische Wille.

„Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ – diese Forderung ist für afrikanische Staats- und Regierungschefs mittlerweile typisch, insbesondere seit die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) 2002 zur Afrikanischen Union (AU) umgestaltet wurde. Um diesen Slogan in die Realität umzusetzen, nehmen die Afrikaner zunehmend eine Schlüsselrolle ein bei den Versuchen, Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent aufrecht zu erhalten. Afrika hat weltweit noch immer mit den meisten komplexen, meist von Kriegen mit bedingten Notsituationen zu kämpfen. Seit 1993 haben afrikanische Länder in 15 Missionen, darunter kleine Beobachtermissionen, ihre Bereitschaft gezeigt, bei den Bemühungen um Frieden und Stabilität auf dem Kontinent eine führende Rolle zu spielen.

Die Entwicklung in diese Richtung begann 1993, als im Rahmen der OAU ein Mechanismus für die Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten eingerichtet wurde. Dennoch blieb die Leistung der OAU auf diesem Gebiet wenig beeindruckend, besonders als sie 1994 nicht in der Lage war, den Völkermord in Ruanda einzudämmen. Als Reaktion auf ihre Wirkungslosigkeit wurde die OAU dann zur AU umgestaltet. Um ihre Möglichkeiten auf dem Gebiet von Frieden und Sicherheit zu stärken, erhielt sie einen Friedens- und Sicherheitsrat. Er dient – so heißt es in der Gemeinsamen Afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – “als kollektive Sicherheits- und Frühwarneinrichtung, die rechtzeitige und effiziente Reaktionen auf Konflikt- und Krisensituationen erleichtert”. Die AU erhielt zudem das Recht, im Falle von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in einem Mitgliedsstaat zu intervenieren. Die AU war seitdem an verschiedenen Friedensmissionen beteiligt – von Burundi in den Jahren 2003 und 2004 bis hin zur laufenden Mission in Darfur. Parallel dazu haben verschiedenen subregionale Organisationen auf dem Kontinent Schritte unternommen, ihre rein wirtschaftliche Kooperation um sicherheitspolitische Belange zu ergänzen. In Folge dieses geänderten Mandats intervenierte zum Beispiel die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) in die Konflikte in Liberia, Sierra Leone, Guinea Bissau und der Elfenbeinküste. Die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) hat wichtige Einsätze in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) und Lesotho bewältigt. Die Gemeinschaft der Sahel- und Saharastaaten (CEN-SAD) und die Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (CEMAC) haben sich ebenfalls im Kongo engagiert und die nordostafrikanische Zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung (IGAD) mit einem Verifikations- und Überwachungsteam im Sudan.

Die afrikanischen Friedenssicherungsmissionen begannen ad hoc. Es fehlte an Strukturen und Verfahren, die Anleitung für einen Einsatz, für das Management der Truppen oder für eine Abzugsstrategie hätten bieten können. Aus den Erfahrungen im Laufe der Jahre wurden jedoch Lehren gezogen, wie mehr Effizienz anzustreben ist; Institutionen, Regeln und ein Rechtsrahmen für die Einsätze wurden geschaffen und verfeinert. Zum Beispiel war der erste Einsatz von ECOWAS-Friedenstruppen in Liberia vor allem von humanitären sowie hegemonialen Impulsen in Nigeria motiviert. Gleichwohl hat die ECOWAS seitdem Verfahren, Prinzipien, Normen und Vorgehensweisen entwickelt, die ihre Tätigkeit in der Friedenssicherung regeln. Inzwischen hat die Organisation zum Beispiel einen Vermittlungs- und Sicherheitsrat eingerichtet, der für die Abstimmung der Entscheidungsprozesse bezüglich eines Einsatzes zuständig ist.

Dennoch leiden die afrikanischen Bemühungen um Friedenssicherung unter einem Mangel an Konsistenz. Zwar wurden die Institutionen und das Recht mit Bezug zur Friedenssicherung reformiert, dem entspricht aber nicht die Fähigkeit, ohne äußere Unterstützung erfolgreiche Friedensmissionen durchzuführen. Wenn afrikanische Länder Friedensmissionen begannen, mussten sie sich für die Fortführung der Missionen auf logistische und finanzielle Unterstützung von westlichen Gebern verlassen. Wurde die nicht gewährt, dann litten die Einsätze unter entscheidenden Mängeln bei Transport, Logistik und Ausrüstung.

In Burundi zum Beispiel wurden die Kosten für die Stationierung der Friedenstruppen, ihre Operationen und ihren Unterhalt auf etwa 110 Millionen US-Dollar für ein Jahr geschätzt. Die afrikanischen Staaten verließen sich auf eine Zusage der internationalen Gemeinschaft über 50 Millionen Dollar. Als davon nur 10 Millionen zur Verfügung gestellt wurden, beeinträchtigte das den Erfolg des Einsatzes. Auf diese Weise verstärken die von Afrika angeführten Friedensinitiativen zuweilen die Abhängigkeit des Kontinentes vom Westen, statt afrikanische Lösungen für Afrikas Probleme zu finden. Damit die Bemühungen um Frieden und Sicherheit nicht weiter diese unbeabsichtigte Folge haben, muss Afrika seine eigenen Kapazitäten stärken, seine Friedensmissionen zu unterhalten.

Eine weitere Inkonsistenz liegt darin, dass die Mitglieder der afrikanischen Organisationen zwar ihre Entschlossenheit erklären, etwas gegen die unsichere Lage auf dem Kontinent zu tun, aber oft nicht den dazu nötigen politischen Willen aufbringen. Ohne diesen verdienen die afrikanischen Bemühungen nicht die Bezeichnung “von Afrika geführt”. In Westafrika zeigte sich der Mangel an politischem Willen ganz offensichtlich: Einige Mitgliedsstaaten der ECOWAS gerieten in Verdacht, Rebellen zu unterstützen, die andere Staaten der Region destabilisierten. Sie sollen ihnen erlaubt haben, von ihrem Staatsgebiet aus zu operieren, und sie mit Waffen beliefert haben. Insbesondere die Regierungen von Liberia und Burkina Faso sollen Kriegsparteien in Sierra Leone beziehungsweise in der Elfenbeinküste unterstützt haben.

Das Problem des politischen Willens zeigt sich auch darin, wie sehr afrikanische Staats- und Regierungschefs nach wie vor davon absehen, einander zu kritisieren – selbst wenn sich offensichtlich in einigen Ländern auf dem Kontinent die Sicherheitslage verschlechtert. In der gegenwärtigen Krise in Simbabwe hat bis Juni kein afrikanisches Land offen Kritik an Mugabe oder Unmut geäußert. Entsprechend sind kaum Reaktionen der AU auf die Situation zu erkennen.

Die Unterschiede im politischen Willen innerhalb der regionalen Organisationen haben zu einem regionalen Hegemonie-Syndrom geführt: Ein einzelner Staat führt die Friedensbemühungen der jeweiligen Organisation an und unterhält sie im Feld. Beim ECOMOG-Einsatz in Liberia trug im Wesentlichen Nigeria die Hauptlast. Ähnlich spielt Südafrika beim Friedensengagement der SADC eine Führungsrolle. Die dominierende Rolle der regionalen Führer beeinträchtigt aber den integrierten Charakter der Friedenseinsätze. Im Fall der ECOWAS in Liberia hieß es von vielen Seiten, der Einsatz sei eher eine nigerianische Intervention gewesen als ein humanitärer Einsatz der ECOWAS. Das hat schädliche Folgen für die Akzeptanz der Friedenstruppen vor Ort und langfristig auch für die Wirksamkeit ihrer Einsätze. Andererseits haben sich eine Reihe von Ländern bereitwillig um die nigerianische Führung geschart und in Liberia interveniert. Das macht die wichtige Rolle regionaler Führer für das Streben nach Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent deutlich. Die entscheidende Frage ist aber, was passiert, wenn der regionale Führer sich nicht hinter eine regionale Friedensinitiative stellt. Darf eine regionale oder auf den gesamten Kontinent bezogene Initiative, die auf die Sicherheit aller Mitgliedsstaaten abzielt, auf die Großzügigkeit eines einzelnen Staates angewiesen sein?

Diese Schwächen auf afrikanischer Seite haben die Friedensinitiativen nicht vollständig aus der Bahn geworfen, weil mehrere gleichzeitige Entwicklungen zur Überwindung der Unzulänglichkeiten beigetragen haben. Eine entscheidende ist, dass viele Einsätze in Afrika heute entweder Hybrid-Einsätze sind, in denen afrikanische Friedenstruppen Seite an Seite mit UN-Blauhelmen operieren, oder aber langfristig in UN-Missionen eingefügt werden. Ein Beispiel ist der ECOWAS-Einsatz 2003 in Liberia, der von den Vereinigten Staaten unterstützt und später den Vereinten Nationen übertragen wurde. Auch in Burundi wurde eine von der Afrikanischen Union angeführte Truppe später von den Vereinten Nationen übernommen.

Für die afrikanischen Organisationen bietet dies die Möglichkeit, dass Partner ihre Initiativen unterstützen. Die Partner können zur Sicherung des Friedens in Afrika beitragen, ohne die Hauptverantwortung zu tragen oder haftbar zu sein. Meist haben westliche Partner Afrika geholfen, indem sie Truppen trainierten, Ausbildungsprogramme anboten, Ausrüstung zur Verfügung stellten, die Friedenstruppen bei den Abläufen der Einsätze unterstützten und logistische und finanzielle Hilfe bereitstellten. Zu den wichtigsten Partnern zählen die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Japan, Norwegen, Deutschland und Belgien.

Im Jahr 2002 haben die Mitgliedsstaaten der G8 einen Afrika-Aktionsplan entwickelt, um die afrikanischen Bemühungen um Friedenssicherung finanziell und logistisch zu unterstützen. Seitdem wurden erhebliche Mittel bereitgestellt, um die Friedens- und Sicherheitsarchitektur der AU zu unterstützen, darunter die „African Peace Facility“ der EU, die mit 250 Millionen Euro ausgestattet ist. Auch aus US-amerikanischen Initiative für globale Friedenseinsätze, die 660 Millionen US-Dollar umfasst, erhalten afrikanische Einsätzen erhebliche Hilfen. Obwohl westliche Geber unterschiedliche afrikanische Initiativen manchmal mit zweierlei Maß messen, ist ihre Hilfe im Blick auf Frieden und Sicherheit in Afrika insgesamt positiv zu bewerten. Afrikas Staaten und ihre regionalen Organisationen haben noch nicht die nötige logistische und institutionelle Kraft entwickelt, um Einsätze ohne die Unterstützung finanzkräftiger Partner durchführen zu können.

Übersetzung: Christina Kamp

Andrews Atta-Asamoah ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Nairobi-Büro des südafrikanischen Institutes für Sicherheitsstudien (ISS).

welt-sichten 7-2008

 

erschienen in Ausgabe 7 / 2008: Schlachtfeld Afrika
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