Kein Zuckerschlecken

Vor vier Jahren angekündigt, will die EU jetzt die Quotenregeln für die eigene Zuckerproduktion und für die Einfuhren aus den früheren Kolonien in Afrika, der Karibik und im Pazifik (AKP-Länder) abschaffen. Die AKP-Länder halten davon ebenso wenig wie die europäischen Rübenbauern.

Die Welthandelsorganisation (WTO) hatte 2004 befunden, dass die EU mit ihrer Zuckermarktordnung gegen internationale Handelsregeln verstößt: Die Preisgarantien für genehmigte Mengen für den EU-Markt – die „Quoten“ – und die Subventionen für den Export von überschüssigem Zucker störten den freien Welthandel, urteilte die WTO. Brüssel änderte daraufhin zunächst die Preisgarantien und die Exporterstattung. Nun sollen im Zuge der Reform der EU-Agarpolitik ab 2013 auch die Quoten abgeschafft werden, verkündete EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos Mitte Oktober. Die Rübenpflanzer sollen in Zukunft wie alle EU-Landwirte eine direkte Sockelzahlung für ihren Betrieb erhalten und sich beim Verkauf auf die internationale Konkurrenz und den Weltmarktpreis einstellen müssen.

Autor

Heimo Claasen

ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".

Damit verfällt freilich auch der Nutzen des AKP-Zuckerprotokolls: Dies teilt den Zuckerproduzenten der AKP-Länder feste Mengen für die zollfreie Einfuhr zu den bisherigen EU-Garantiepreisen zu. Die AKP-Bauern hatten also einen garantierten Absatzmarkt und erzielten dank der EU-Garantie lange Zeit Preise über dem Weltmarktniveau. Das Zuckerprotokoll wurde 2000 von den AKP-Ländern und der EU zusammen mit dem Cotonou-Vertrag beschlossen, ist jedoch nicht wie dieser zeitlich begrenzt.

Die AKP-Mitglieder zeigten sich nach Ciolos’ Ankündigung bestürzt: Man habe wie alle Welt erst aus der Zeitung erfahren, dass die Quoten gestrichen werden sollen, sagte AKP-Generalsekretär Mohamed Ibn Chambas. Für die AKP-Länder missachtet die EU mit diesem Schritt ihre entwicklungspolitischen Verpflichtungen sowie das Ziel ihrer Agrarpolitik, zur Ernährungssicherheit beizutragen. Schon die schrittweise Absenkung der EU-Referenzpreise um 36 Prozent seit 2005 habe genug Schwierigkeiten gebracht, die nur durch gemeinsames Marktmanagement bewältigt worden seien. Die Quoten hätten dabei eine wesentliche Rolle gespielt; die Abschaffung 2015 sei „voreilig, unnötig und so gut wie sicher kontraproduktiv“.

Die AKP-Länder kritisieren auch die Studie der Kommission zu den möglichen Folgen der Maßnahme: Die Zahlen stimmten nicht, und der gesamte Ansatz ignoriere die Verpflichtung der EU zu Kohärenz mit anderen Politikbereichen. Ciolos hatte sich auf diese Studie berufen, als er die Quotenstreichung den EU-Rübenpflanzern damit schmackhaft zu machen versuchte, dass sie dann unbegrenzt von den gegenwärtig hohen Weltmarktpreisen profitieren könnten.

Die AKP-Länder und die EU haben im Preiskampf keine Chance

Das ist allerdings reine Spekulation: Die derzeitige Preisblase sackt schon jetzt wieder in sich zusammen, im Rohstoffhandel tätige Banken rechnen damit, dass der Zuckerpreis um ein sattes Drittel abstürzen könnte. Vorhaben großer Produzenten wie der USA, Brasiliens, Russlands und der Ukraine, die Anbauflächen deutlich auszuweiten, deuten auf eine große Überproduktion hin. Zuckerpflanzer sowohl der EU als auch der AKP-Länder hätten in diesem ruinösen Wettbewerb keine Chance. Auch die Lobby der EU-Rübenbauern scheint das inzwischen so zu sehen. Sie fordert ebenso wie die AKP-Länder, dass die EU-Quotenregeln mindestens bis 2020 erhalten bleiben.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2011: Bodenschätze: Reiche Minen, arme Länder
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