Lauter leere Töpfe

Um sich für die Folgen des Klimawandels zu rüsten, brauchen die armen Länder in den kommenden Jahrzehnten Milliardenbeträge. Die reichen Länder haben zwar eine Reihe neuer Fonds dafür aufgelegt, bisher aber kaum etwas eingezahlt. Die Entwicklungsländer wollen auf der Klimakonferenz in Kopenhagen einen neuen, zentralen Geldtopf für Anpassungsmaßnahmen schaffen. Doch die Industrieländer sind skeptisch, ob das der beste Weg ist.

Das Verfahren bestätigt alle Vorurteile gegen eine internationale Klimapolitik, die sich große Ziele setzt, aber keine Ergebnisse liefert. Vor acht Jahren beschlossen die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) den so genannten NAPA-Prozess: Die ärmsten Entwicklungsländer sollten aufschreiben, wo sie den dringendsten Bedarf zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sehen. In den vergangenen vier Jahren haben rund 40 Länder entsprechende Aktionsprogramme (National Adaptation Programme of Action, NAPA) vorgelegt. Sie enthalten keine längerfristigen Strategien, sondern Projekte, die schnell verwirklicht werden sollten, um größeren Schaden abzuwenden – etwa zur Ernährungssicherung in Trockengebieten, zum Küstenschutz oder zur Sicherung von Trinkwasserreserven. Es wurde ein Fonds geschaffen, aus dem die NAPA-Projekte bezahlt werden sollen. Rund 400 Vorhaben enthalten alle bisherigen Aktionsprogramme zusammen, doch bewilligt wurden bislang gerade einmal 35, verwirklicht weniger als 10. Viele der Aktionsprogramme sind schon wieder veraltet, bevor sie überhaupt umgesetzt werden, und müssten eigentlich überarbeitet werden.

„Die Entwicklungsländer sind es leid, immer wieder neue Pläne vorlegen zu müssen, die dann nicht finanziert werden“, sagt Saleemul Huq, Experte für Klimapolitik am Internationalen Institut für Umwelt und Entwicklung (IIED) in London. Tatsächlich zeigt der NAPA-Prozess beispielhaft, wie internationale Zusammenarbeit nicht laufen sollte: Zum einen war den Regierungen im Süden zunächst völlig unklar, wie die Aktionsprogramme und die Projektanträge aussehen sollten. Die UNFCCC-Vertragstaaten hatten das in ihren Beschlüssen weitgehend offen gelassen – durchaus bewusst, um den Entwicklungsländern nicht zu viele Vorgaben zu machen. Die Folge war, dass am Anfang viele Projektanträge den Kriterien der Globalen Umweltfazilität (GEF), die den Fonds für die NAPA-Projekte verwaltet, nicht genügten und neu formuliert werden mussten.

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Zum anderen ist das Bewilligungsverfahren der gemeinsam von der Weltbank und den Vereinten Nationen getragenen GEF extrem bürokratisch und zeitraubend. Ein Beispiel: Als erstes Land überhaupt legte Bangladesch im November 2005 ein NAPA vor. Aber erst drei Jahre später, im Dezember 2008, gab die GEF-Geschäftsführung grünes Licht für das erste – und bislang einzige – Projekt daraus. Allein das Verfahren zur Prüfung der Projektvorlage dauerte anderthalb Jahre. Und das ist kein Einzelfall. Es liegt auch daran, dass die Regierungen selbst gar keine Anträge stellen können, sondern dafür die Dienste des UN-Umweltprogramms (UNEP), des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) oder der Weltbank in Anspruch nehmen müssen. Denn nur die haben formal Zugriff auf Mittel der Umweltfazilität. Ein Projektantrag durchläuft von der ersten Begutachtung bis zur Freigabe gut und gerne ein Dutzend Bewilligungsschritte. „Und jeder der Beteiligten zeigt mit dem Finger auf den anderen, um zu erklären, warum es so lange dauert“, sagt Saleemul Huq.

Schließlich fällt die Bilanz auch deshalb so düster aus, weil der Fonds chronisch unterfinanziert ist. Er speist sich aus freiwilligen Beiträgen der Industrieländer. Bis Mai dieses Jahres hatten 19 von ihnen rund 180 Millionen Euro zugesagt, aber nur gut zwei Drittel davon eingezahlt. Laut Saleemul Huq haben die USA bei einem Gebertreffen im Oktober erstmals angekündigt, sich an dem Fonds zu beteiligen, und 50 Millionen Dollar versprochen. Das Sekretariat der Globalen Umweltfazilität schätzt, dass in den kommenden vier Jahren mindestens 500 Millionen Dollar gebraucht werden, um die bislang vorliegenden Aktionspläne der ärmsten Länder zu finanzieren.

Das scheint die Geberländer aber wenig zu interessieren. Statt für den NAPA-Fonds geben sie lieber Zusagen für eine Reihe der vielen anderen Klimaschutz-Töpfe, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden. Der Special Climate Fund der Weltbank zum Beispiel hat zehnmal so viel Geld versprochen bekommen wie der NAPA-Fonds. Dennoch klafft insgesamt eine Riesenlücke zwischen dem geschätzten Bedarf an Finanzmitteln für Anpassungsmaßnahmen weltweit und dem Geld, das dafür bislang zur Verfügung steht – wobei die Schätzungen eine enorme Bandbreite aufweisen: Die Weltbank kommt zu dem Ergebnis, dass in den kommenden 40 Jahren jährlich bis zu 100 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel gebraucht werden. Die Europäische Union schätzt den Bedarf hingegen nur auf ein Zehntel dieser Summe. Offenkundig hängt das Resultat solcher Rechnungen auch davon ab, wer sie vornimmt: Die EU müsste einen erheblichen Teil der Mittel aufbringen, die Weltbank dürfte sie ausgeben.

Unabhängig davon, welche Schätzung nun angemessener ist: Laut dem diesjährigen Bericht „Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe“, den die Deutsche Welthungerhilfe und die Organisation terre des hommes Anfang November vorgelegt haben, liegen die bislang zugesagten Mittel für Anpassungsmaßnahmen mit rund einer Milliarde Dollar weit darunter. Und zwischen Zusagen und tatsächlich bereitgestelltem Geld tut sich eine weitere Kluft auf – nicht nur beim NAPA-Fonds. Für den Topf für Anpassungsmaßnahmen innerhalb des Special Climate Fund der Weltbank zum Beispiel haben die Geber bis Mai dieses Jahres großzügig eine halbe Milliarde Dollar versprochen. Tatsächlich eingezahlt hatten sie bis dahin nicht einmal ein Fünftel davon.

Die internationale Klimafinanzierung bietet ein groteskes Bild: In den vergangenen Jahren haben die Geberländer sowie internationale Organisationen anderthalb Dutzend Fonds zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen und der Reduzierung von Treibhausgasemissionen in Entwicklungsländern geschaffen, doch die meisten davon sind leer. Laut der Heinrich-Böll-Stiftung und dem britischen Overseas Development Institute, die auf einer gemeinsamen Internetseite die Entwicklung der Klimafonds beobachten, wurde aus 12 von insgesamt 18 bi- und multilateralen Fonds noch nicht ein einziges Projekt bezahlt. Zum Beispiel rief die EU-Kommission 2007 eine Globale Klimaallianz ins Leben, die unter anderem zusätzliche Mittel für Maßnahmen in den ärmsten Entwicklungsländern akquirieren soll. Die EU-Mitglieder freilich nahmen das nur achselzuckend zur Kenntnis: Außer Schweden hat kein Land Geld für die Allianz zugesagt. „Ein Rohrkrepierer“, urteilt Sven Harmeling von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Die Generaldirektion für Entwicklung in der Kommission wollte eben auch noch was zum Thema Klima machen.“

Das unabgestimmte Nebeneinander in der Klimapolitik reicht bis in die Bundesregierung. Im vergangenen Jahr startete das Bundesumweltministerium (BMU) seine Internationale Klimaschutzinitiative, die Projekte in rund 50 Ländern finanziert – ohne Absprache mit anderen Ressorts. „Im Entwicklungsministerium (BMZ) hat das für helles Entsetzen gesorgt“, erzählt ein Insider, „und übrigens teilweise auch im BMU, weil die auf die internationale Arbeit gar nicht vorbereitet waren.“ Von Nutzen sei das Vorpreschen des Umweltressorts nur für die beiden großen Durchführungsorganisationen KfW Entwicklungsbank und Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ): „Wenn das BMZ einen Projektvorschlag ablehnt, können sie es jetzt noch einmal beim Umweltministerium versuchen.“

Auf der Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen wird es auch darum gehen, wie die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen künftig organisiert sein soll. Für Sven Harmeling lassen sich aus dem gescheiterten NAPA-Prozess einige Lehren ziehen: Zuerst müsse ein verlässlicher Geldfluss sichergestellt sein. Dann erst sollten die Entwicklungsländer Strategien ausarbeiten – nicht umgekehrt wie bei den nationalen Aktionsplänen, erklärt Harmeling. Außerdem müssten die Entwicklungsländer in die Lage versetzt werden, selbstständig ihren Bedarf an Anpassungsprojekten und die dafür benötigten Finanzen zu ermitteln. Und schließlich müsse das Verfahren zur Bewilligung von Projekten vereinfacht werden.

Der Adaptation Fund, den die Mitglieder der UN-Klimarahmenkonvention im Rahmen des Kyoto-Protokolls geschaffen haben, weist in die richtige Richtung, findet Harmeling. Der Fonds, der in diesem Jahr seine Arbeit aufgenommen hat, speist sich vor allem aus einer Abgabe in Höhe von zwei Prozent auf Verkäufe von Emissionszertifikaten, die im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) gehandelt werden. Er ist also weitgehend unabhängig von Zuschüssen der Geber, würde allerdings schnell austrocknen, falls der CDM mit dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 eingestellt wird. Für den Adaptation Fund spricht laut Harmeling außerdem, dass die Entwicklungsländer direkten Zugriff auf das Geld haben und in den Entscheidungsgremien die Mehrheit stellen.

Eine wichtige Frage auf der Tagesordnung von Kopenhagen wird sein, ob die Klimafinanzierung künftig aus einem einzigen Topf kommen soll oder wie bisher aus mehreren. „Die Entwicklungsländer sind klar für einen zentralen Finanzierungsmechanismus unter dem Dach der Klimarahmenkonventionen“, sagt Saleemul Huq. Der Adaptation Fund könnte in einem solchen Mechanismus das Fenster für die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen sein – wobei einige kleine Inselstaaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, lieber einen neuen Fonds aufbauen würden, um die US-Regierung mit ins Boot zu holen. Die USA sind nämlich beim Adaptation Fund nicht dabei, weil sie das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben. Und einige ärmste Länder sträuben sich laut Sven Harmeling gegen die Idee, in dem Adaptation Fund auch den glücklosen NAPA-Fonds aufgehen zu lassen, weil sie zu diesem bislang exklusiven Zugang hatten.

Die Geberländer sind skeptisch gegenüber einem neuen Riesentopf bei der UNFCCC. Der beste Weg zur Unterstützung sei der bilaterale Weg, heißt es aus dem Entwicklungsministerium. Denn in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit sei Anpassung längst Alltag, da zwischen solchen Maßnahmen und „normalen“ Entwicklungsprojekten zum Beispiel im Bereich Ernährungssicherung oder der Katastrophenvorsorge gar nicht immer trennscharf unterschieden werden könne.

Gegen eine eigene Struktur für die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen spricht nach Ansicht eines Regierungsmitarbeiters, der ungenannt bleiben möchte, aber noch etwas anderes: „Die nichtstaatlichen Organisationen, die das verlangen, unterschätzen, dass neue Töpfe letztlich nur auf Kosten anderer Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit gefüllt werden.“ Zwar fordern Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, das Geld für die Anpassung an den Klimawandel dürfe nicht von den Mitteln für die Armutsbekämpfung abgezwackt werden. Doch dass die in Kopenhagen versammelten Regierungen darauf hören, ist eher unwahrscheinlich.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2009: Klimawandel: Warten auf die Katastrophe

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