USA stufen Verbrechen an Rohingya in Myanmar als Völkermord ein

Frankfurt a.M./Washington - Die US-Regierung stuft die Verbrechen gegen die muslimische Rohingya-Minderheit in Myanmar als Völkermord ein. Eine Analyse durch das Außenministerium habe erwiesen, dass das Militär Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Montag in einer Ansprache im Holocaust Memorial Museum in Washington. Unter anderem eine Befragung von mehr als 1.000 geflüchteten Rohingya zeige, dass die von ihnen bezeugten Morde, sexuelle Gewalt, Angriffe auf Dörfer und Massaker keine isolierten Fälle gewesen seien. Das Militär gehe massiv und systematisch gegen die Rohingya vor mit der klaren Absicht, das Volk ganz oder in Teilen auszulöschen. Menschenrechtsorganisationen und die UN begrüßten die Erklärung.

Die Rohingya werden in Myanmar seit Jahrzehnten diskriminiert und verfolgt. Im August 2017 begann das Militär nach Anschlägen einer Rohingya-Miliz auf Polizeiposten eine blutige Offensive gegen die gesamte Minderheit. Mehr als 740.000 Rohingya flohen seitdem über die Grenze nach Bangladesch, wo sie bis heute in völlig überfüllten Camps ausharren. UN-Ermittler und Menschenrechtsorganisationen sprechen schon seit Jahren von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Rohingya sind entrechtet, entmenschlicht und dämonisiert worden

Neben der Gewalt gegen die Rohingya bewiesen auch andere Verhaltensweisen des Militärs die Völkermordabsicht, betonte Blinken. So hätten sich mehrere auch hochrangige Militärs in sozialen Netzwerken für ihre Verbrechen gebrüstet, darunter der frühere Armeechef Min Aung Hlaing, der seit einem Putsch im Februar 2021 die Militärregierung in Myanmar anführt.

Auch sei der Völkermord erwiesenermaßen systematisch vorbereitet worden, und die Armee habe versucht, die Rohingya an der Flucht zu hindern. Die Rohingya seien zudem über Jahrzehnte entrechtet, entmenschlicht und dämonisiert worden, sagte der US-Außenminister und verwies auf Parallelen zu Hass und Hetze gegen die Juden in Nazi-Deutschland.

Menschenrechtsorganisationen begrüßten den Schritt der US-Regierung. Der Chef der Organisation „Burma Human Rights Network“, Kyaw Win, forderte zugleich, die Welt müsse sich „der faschistischen Junta so energisch und standhaft entgegenstellen, wie sie sich gegen die russische Invasion in der Ukraine gestellt“ habe. Amnesty International wertete Blinkens Erklärung als Impuls für die Justiz. Wenn das Militär in Myanmar nicht zur Verantwortung gezogen werde, glaube es weiter, einen Freibrief für die Ermordung unschuldiger Menschen zu haben, sagte Regionaldirektor Erwin van der Borght.

Mehrere Gerichte ermitteln

Human Rights Watch forderte, die US-Regierung müsse ihre Verurteilung der Gräueltaten mit Taten verbinden. Zu lange hätten die USA wie andere Länder die Generäle in Myanmar Verbrechen begehen lassen mit wenigen Konsequenzen. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet erklärte, die Notlage der Rohingya sei nach wie vor dramatisch und eine Lösung nicht in Sicht.

Blinken betonte, seit dem Putsch gingen die gleichen Militärs, die die Verbrechen gegen die Rohingya und andere Minderheiten verübt hätten, brutal gegen viele andere im Land vor. „Niemand mehr ist sicher vor den Gräueltaten durch die Militärherrschaft.“ Die Verantwortlichen des Völkermords, die nun die gesamte Bevölkerung terrorisierten, müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte er mit Blick auf mehrere Verfahren der internationalen Justiz.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag beschäftigt sich auf Antrag des westafrikanischen Gambias mit den Verbrechen an den Rohingya und verfügte 2020, dass Myanmar die Rohingya vor einem Genozid schützen müsse. Auch der Internationale Strafgerichtshof ermittelt gegen das myanmarische Militär. Ende 2021 hat zudem ein Gericht in Argentinien entschieden, ein Verfahren wegen Völkermordes an den Rohingya zu eröffnen. Ermöglicht wird dies durch das Prinzip universeller Rechtsprechung, wonach die Justiz eines Landes bestimmte schwerwiegende Verbrechen verfolgen kann, auch wenn diese nicht in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurden.

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