Umstrittene EU-Pläne: Neue Regeln für Gentechnik

Es geht zum Beispiel um die Genschere Crispr/Cas: Einige gentechnisch behandelte Pflanzen könnten in der Europäischen Union bald wie konventionelle etikettiert werden. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus, das EU-Parlament ist gespalten.

Brüssel - Die EU-Kommission will die Vorschriften zum Umgang mit bestimmten gentechnischen Methoden in der Landwirtschaft lockern. Dazu stellte die Kommission am Mittwoch ein Maßnahmenpaket vor. Pflanzen, die durch bestimmte Verfahren der neuen Gentechnik (NGT) erzeugt wurden, aber auch durch konventionelle Züchtung entstehen könnten, sollen demnach wie herkömmliche Pflanzen behandelt werden. „Das bedeutet, dass für diese Pflanzen keine Risikobewertung vorgenommen werden muss und sie wie konventionelle Pflanzen etikettiert werden“, erklärte die Kommission am Mittwoch in Brüssel.

Ein Beispiel für die neue Gentechnik ist zumindest vom Namen her recht bekannt: die Genschere Crispr/Cas. Ihre Entdeckerinnen erhielten 2020 den Nobelpreis für Chemie. Das auch als Geneditierung bekannte Verfahren unterscheidet sich von der klassischen Gentechnik dadurch, dass die Forscherinnen hier keine fremden Gene in die Pflanze einschleusen, sondern präzise Eingriffe an der DNA vornehmen.

Als die EU 2001 ihre Regeln für genetisch veränderte Organismen (GVO) verabschiedete, gab es diese neue Gentechnik noch nicht. Aktuell gelten daher für die alte und die neue Gentechnik dieselben Vorschriften. Das will die EU mit ihrem Vorschlag ändern.

Künftig sollen geneditierte Pflanzen in der EU in zwei Gruppen eingeteilt werden. Solche Pflanzen, „die auch auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtung entstehen könnten“, sollen wie herkömmliche Zuchtpflanzen behandelt werden: Nicht nur Risikoeinschätzung und Kennzeichnungspflicht entfallen, auch die Zulassung wird leichter. Dagegen müssen Pflanzen, die durch neue Gentechnik entstanden sind, aber komplexere Modifikationen aufweisen, weiterhin als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. In der biologischen Landwirtschaft bleibt die Verwendung neuer Gentechnik verboten.

Ziel ist es, die Landwirtschaft damit widerstandsfähiger zu machen, wie die Kommission erklärte. Die Deregulierung solle die Entwicklung von Pflanzensorten fördern, die Klimawandel und Schädlingen resistenter gegenüberstehen. Diese sollen weniger Düngemittel und Pestizide benötigen. So sollen die Erträge wachsen und die EU unabhängiger von Agrarimporten werden. Das Maßnahmenpaket gehört zum klimapolitischen Vorhaben „Green Deal“ der Europäischen Union.

Verbraucherschützer, Vertreter der biologischen Landwirtschaft und Umweltverbände äußerten scharfe Kritik am Gesetzesvorschlag. Den Verbrauchern würden mit einem solchen Gesetz die Augen verbunden, weil die verpflichtende Gentechnik-Kennzeichnung für viele Endprodukte entfalle, erklärte etwa Bioland-Präsident Jan Plagge: „Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung - diese wichtigen Instrumente des Gentechnikrechts gibt die EU-Kommission auf.“ Profitieren würden davon nur die Biotech-Unternehmen, ergänzte Greenpeace.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina begrüßen die Neuauflage des europäischen Gentechnikrechts dagegen. „Neue Züchtungstechniken von Pflanzen tragen zur Bewältigung der Klima-, Biodiversitäts- und Ernährungskrise bei“, erklärten die Verbände.

Die EU-Kommission hat das Gesetz zunächst vorgeschlagen. Im Anschluss beziehen das Europäische Parlament und der Rat der EU, das Gremium der Mitgliedsstaaten, Position zu dem Vorschlag und können diesen verändern.

Die Grünen im EU-Parlament sehen den Gesetzesvorschlag kritisch. Vertreter von CDU und CSU begrüßen ihn.

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