Pact for the Future: kein Berg, aber mehr als eine Maus

Liebe Leserinnen und Leser,

der Berg kreißte und gebar eine .... ja, was? Vor rund neun Monaten legten die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen einen ersten Entwurf für einen Zukunftspakt vor, der die multilaterale Zusammenarbeit in Bereichen wie Entwicklung, Frieden und Sicherheit sowie Menschenrechte neu beleben soll. Vier weitere Entwürfe folgten, über die im Laufe des Jahres heftig verhandelt wurde, und am vergangenen Sonntag war es auf dem UN Summit of the Future dann soweit: Der Berg, also die Staatengemeinschaft, hatte fertig gekreißt und gebar nach Ansicht von Betty Wainaina von der New York University jedenfalls etwas Größeres als eine Maus. Der Pact for the Future, hat mir Wainaina im Interview gesagt, erfülle längst nicht ihre Erwartungen und habe etliche Schwächen. Dennoch sei die Verabschiedung ein Meilenstein: Der Pakt, so Wainaina, ist die Saat, die nun gewässert und gepflegt werden muss, damit aus ihr etwas wird.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. 

Das bewegt die Redaktion

Wenn geschossen, Bomben geworfen werden und getötet wird, hat die Politik vorher versagt, habe ich unlängst geschrieben. Das sehen wir jeden Tag im Nahen Osten, in der Ukraine und im Sudan. Und vielleicht auch bald wieder am Horn von Afrika? Dort kann man seit Jahresbeginn verfolgen, wie ein eher nichtiger Konflikt immer größer und gefährlicher wird, weil die Streitparteien Öl ins Feuer gießen, Mediationsversuche platzen lassen und Verbündete mobilisieren. Äthiopien hat Anfang des Jahres der von Somalia abtrünnigen Region Somaliland die staatliche Anerkennung in Aussicht gestellt, was die somalische Regierung ziemlich theatralisch als Bedrohung für das Land zurückgewiesen hat. Die Türkei versucht seitdem zwischen beiden Seiten zu vermitteln, doch diese Mediation ist nun bis auf weiteres gestoppt, weil Somalia Äthiopien beschuldigt, es habe Waffen an Puntland geliefert, eine andere somalische Region, die unabhängig werden will. Somalia wiederum erhält Waffen aus Ägypten, das seinerseits im Dauerstreit mit Äthiopien ist wegen eines Großstaudamms am äthiopischen Oberlauf des Nils, mit dem, so die Sorge in Kairo, Ägypten das Wasser abgedreht werden könnte. Für all das gäbe es sicher friedliche Lösungen, die Herren an der Macht – und es sind alles Männer – müssten sie nur wollen. 

Neu auf "welt-sichten"

Wer verweigern will, hat es schwer: In vielen Ländern der Welt werden junge Menschen zum Militärdienst eingezogen. Was erwartet sie dort? Und wie können sie sich ihm entziehen? Wir bringen Beispiele aus Eritrea, Thailand und Kolumbien.

Kaffee aus dem Garten: Ein Projekt in Burundi zeigt, wie umweltfreundlicher Kaffeeanbau geht, mit dem Kleinbauern nicht schlecht Geld verdienen. Für "guten Kaffee zu guten Bedingungen" wirbt Landwirt Ernest Ndumuraro während der "Fairen Woche" in Deutschland, berichtet Judith Kubitschek vom epd.

Wo kriegen die Leute keinen Strom aus der Steckdose? In Süd- und Südostasien ist der Anteil der Menschen ohne Zugang zu Elektrizität im vergangenen Vierteljahrhundert deutlich geschrumpft, in Afrika südlich der Sahara hingegen lebt rund die Hälfte der Bevölkerung ohne Strom. Noch mehr Wissenswertes dazu gibt es auf unserer aktuellen Infografik.

Noch immer interessant

Noch einmal zurück zum am vergangenen Sonntag beschlossenen Pact for the Future: Darin finden sich wichtige Aussagen zur Entwicklungsfinanzierung, sagt meine Interviewpartnerin Betty Wainaina von der New York University. Deutlich zu kurz aber komme das Problem der Verschuldung, das sehr viele arme Länder belaste. Damit hat sich bereits vor anderthalb Jahren unser Autor Walden Bello befasst. Sein immer noch lesenswertes Fazit damals: Ein Schuldenschnitt ist unvermeidlich.

Was Sie verpasst haben könnten

„Ernst nehmen, nicht belehren“: Nach den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg befürchten Verbände und Initiativen, dass Eine-Welt-Arbeit in Ostdeutschland noch schwieriger wird. Aktive, die die praktische Arbeit machen, haben mir gesagt: Man muss auch mit Andersdenkenden im Gespräch bleiben.

Waffen auf Abwegen: Aus der Schweiz exportierte Rüstungsgüter müssen grundsätzlich im Empfängerland bleiben. Prüfer stellen allerdings immer wieder Verstöße dagegen fest, kürzlich in Indien. Jetzt wird über eine Lockerung der Regel diskutiert, berichtet Samanta Siegfried.

Medienschau: Worüber andere berichten

Falscher Kampf gegen Sexarbeit: Benin bedroht Frauen, die sich prostituieren, mit Gefängnis. Das ist das falsche Mittel gegen Prostitution, kommentiert die beninische Zeitung „La Nouvelle Tribune“. Der Staat solle besser Jobs, Sozialdienste und Kredite für arme Frauen fördern und gegen Menschenhändler vorgehen.

Regierungsversagen in Brasilien: Die katastrophalen Fluten in Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens sind eine Folge der unverantwortlichen Klima- und Umweltpolitik von Ex-Präsident Jair Bolsonaro, analysiert das Online-Portal „Latinoamerica21“. Klimaschutz sei nun in Brasilien dringend und vor allem Anpassung an die Folgen des Klimawandels sei wichtig.

Wichtiges Urteil zugunsten Indigener: Die Afrikanische Union hat die Vertreibung eines indigenen Volkes von seinem Land in der DR Kongo zugunsten eines Nationalparks für Unrecht erklärt. Ob die kongolesische Regierung den Batwa nun ihr Land zurückgibt, ist aber längst nicht ausgemacht, berichtet „YaleEnvironment 360“.

Denkfabrik: Was Fachleute sagen

Gegen, mit oder neben China? Die EU-Kommission sieht ihre Global-Gateway-Initiative, die besonders Afrika Kapital verschaffen soll, als Mittel gegen Chinas Einfluss dort. In Afrika kommt das nicht gut an, zeigt eine neue Studie, die Bernd Ludermann gelesen hat.

Drei entwicklungspolitische Fliegen mit einer Klappe: Wie lassen sich Ernährungssicherung, Klimaschutz und Friedenssicherung sinnvoll verbinden? Die Friedensforscherinnen vom Stockholmer SIPRI-Institut machen einen Vorschlag.

Buchtipp

Funktionales Staatsversagen: Die norwegische Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk legt zusammen mit der Journalistin Guro Kulset Merakerås eine Chronik des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos vor. Ihr Fokus liegt auf den Verletzlichsten unter allen Geflüchteten, den Kindern. Eine eindringliche Warnung vor einem Europa, das nicht mehr zu Empathie und Solidarität fähig ist, meint unser Rezensent Jürgen Schübelin.

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