Port-au-Prince - eine belagerte Stadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Minister für Justiz und öffentliche Sicherheit sagt: "Die Banden haben Waffen, die die Polizei nicht hat. Sie können gepanzerte Militärfahrzeuge aufhalten und haben eine Offensivkraft, die wir nicht haben." Willkommen in Port-au-Prince, der Hauptstadt von Haiti. Seit Jahren kontrollieren kriminelle Banden die Millionenstadt und breiten sich zunehmend in andere Landesteile aus, und der zuständige Minister muss gegenüber unserem Autor Toni Keppeler einräumen, dass die Staatsgewalt dem nicht viel entgegenzusetzen hat. Keppeler war unlängst in Port-au-Prince und berichtet, wie sich die Bewohner auf eigene Faust zu schützen versuchen. Sein Beitrag ist schwere Kost, aber es ist wichtig, an die Dauerkrise in Haiti zu erinnern und die Opfer nicht zu vergessen. Die Hälfte der auf 12.000 geschätzten Bandenmitglieder in Port-au-Prince sind Kinder und Jugendliche, die zum Morden, Plündern und Brandschatzen gezwungen werden. Die Regierung versucht ihnen zu helfen, berichtet Keppeler, kann aber auch hier nicht viel tun gegen das skrupellose Vorgehen der Bandenchefs.

Ich wünsche Ihnen eine friedliche Restwoche.

Das bewegt die Redaktion

In einer von Brot für die Welt veranstalteten Diskussionsrunde in der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Main ging es diese Woche um die Frage, wie es mit deutschen Entwicklungspolitik weitergeht. Die schwarz-rote Bundesregierung wird die Mittel kürzen, das hat sie im Koalitionsvertrag bereits angekündigt. Ein Motto der Runde lautete daher: Aus weniger mehr machen. Das knappe Geld muss also möglichst effizient investiert werden, doch dass das gelingt, ist zweifelhaft angesichts des im Koalitionsvertrag skizzierten Programms. Da wird die Entwicklungspolitik plump in den Dienst kurzfristiger deutscher Interessen gestellt, was in vielen Fällen nicht funktioniert und außerdem teuer ist. So will die Merz-Regierung mit Entwicklungspolitik Migration eindämmen, wie das die Europäische Union seit Jahren mit viel Geld, aber ohne Erfolg versucht. Außerdem sollen laut Koalitionsvertrag bevorzugt deutsche und europäische Unternehmen mit Projekten beauftragt werden. Man nennt das Lieferbindung, eine Praxis, die sich als ineffizient, teuer und unpraktisch erwiesen hat und deshalb in der internationalen Zusammenarbeit seit Jahrzehnten geächtet ist. Ein Zuschauer der Runde in Frankfurt fragte denn auch zu Recht, ob die neue Bundesregierung in der Entwicklungspolitik zurück in die 1960er Jahre wolle. 

Neu auf "welt-sichten"

Erpressung à la Trump: Hohe Zölle der USA schädigen Indonesien und andere Länder Südostasiens schon, bevor sie in Kraft getreten sind. Trotzdem verhandeln die Staaten der Region einzeln mit Washington und lassen sich dabei nicht in die Karten schauen. Ein Fehler, sagt der indonesische Sozialwissenschaftler Moch Faisal Karim im Interview.

Multikulti und lokal verwurzelt: Die Wahl der künftigen Entwicklungsministerin hat alle überrascht. Hoffentlich kann die neue BMZ-Chefin Reem Alabali-Radovan korrigieren, was der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verbockt, schreibe ich in meinem Kommentar.

Ein harter Schlag für Genf: In der Schweizer Stadt am See sind viele UN-Organisationen und Hilfswerke zu Hause. Die drastische Kürzung der US-Entwicklungshilfe ist hier deshalb besonders spürbar. Das gilt für die humanitäre Hilfe, aber auch für die Wirtschaft der Stadt, berichtet Meret Michel.

Mossul sucht nach seiner Identität: In der Stadt im Norden des Irak geht der Wiederaufbau voran, doch die Spuren der Herrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ sind bis heute sichtbar. Die Einwohner stehen unter anderem vor der Frage, wie Mossul wieder die weltoffene Stadt von früher wird, berichtet Katja Dorothea Buck.

Was Sie verpasst haben könnten

Weiter Zoff um Mercosur-Abkommen: Österreich ringt um seine Haltung zum Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten. Während die wirtschaftlichen Argumente dafür lauter werden, äußern Umwelt- und Entwicklungsorganisationen Bedenken, berichtet Milena Österreicher.

Friedenskräfte im Gegenwind: In vielen Kriegen versuchen lokale Gruppen, andere Staaten oder die UN zu vermitteln und Gewalt einzudämmen. Doch das Verhalten der Großmächte macht es solchen Friedenskräften zunehmend schwer, erklärt Bernd Ludermann in seinem Beitrag, der zum Schwerpunktthema unserer aktuellen Ausgabe gehört.

Medienschau: Was andere berichten

Aus Lagern werden Städte: Die kenianische Regierung will die großen Flüchtlingslager Kakuma und Dadaab zu Gemeinden aufwerten, so dass die Bewohner sich besser in die kenianische Wirtschaft und Gesellschaft integrieren können. Was sagen die Kenianer dazu? "The New Humanitarian" hat nachgefragt.

Make the UN great again! Die europäischen NGO-Netzwerke Concord Europe und Eurodad plädieren dafür, die Organisation internationaler Entwicklungshilfe in die Vereinten Nationen zu verlagern, berichtet "EUobserver". Auf die Geberländer in der OECD, die bisher über die sogenannte ODA herrscht, sei kein Verlass mehr.

"Keine Katastrophe, eine Korrektur": Rose M. Mutiso macht sich auf "Substack" kluge Gedanken dazu, wie afrikanische Regierungen und Gesellschaften mit der Kürzung internationaler Entwicklungshilfe umgehen sollten.

Denkfabrik: Was Fachleute sagen

Fehlernährung im Blick: Forschende der Universität Göttingen haben zusammen mit Misereor eine neue Methode zur Armutsmessung entwickelt. Sie gewichtet gesunde Ernährung stärker; das ergibt eine erhöhte Zahl der Menschen in Armut. Barbara Erbe hat die Studie gelesen.

It's a strong civil society, stupid! Wie lässt sich der Abbau von Demokratie stoppen - und wieder umkehren? Eine Studie des Carnegie Endowment hat das an den Beispielen Brasilien, Polen, Sambia und Senegal untersucht. Ein Ergebnis: Es braucht eine vitale Zivilgesellschaft, die sich einmischt.

Wenig hilfreiche Hilfe: Die Entwicklungszusammenarbeit wendet sich zunehmend informellen Kleinbetrieben in Afrika zu. Allerdings geht die Unterstützung oft an den Bedürfnissen der Unternehmer vorbei, wie eine Studie zu Garküchen auf den Straßen von Ghanas Hauptstadt Accra erklärt, über die "The Conversation" berichtet.

Ausblick

Augen auf: Beim 40. DOK.fest in München laufen in einem Sonderschwerpunkt wie jedes Jahr wieder Filme aus Afrika. Dieses Jahr geht es um den Klimawandel und seine Folgen für den Kontinent. Das Festival läuft bis zum 25. Mai, Informationen zum Afrika-Schwerpunkt gibt es hier.

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