Gewalt gegen Frauen verstößt gegen die Menschenrechte und ist ein Entwicklungshemmnis. Diese Einschätzung teilen die Vereinten Nationen, zahlreiche internationale Organisationen und Regierungen in Nachkriegsländern. Einen Meilenstein dazu bot die Abschlusserklärung der UN-Menschenrechtkonferenz in Wien 1993, ihr folgte im selben Jahr die UN-Deklaration zur Überwindung von Gewalt gegen Frauen. Inzwischen gehören Beratungsprojekte für Gewaltopfer zu Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Solche reaktiven Hilfsangebote sind wichtig, doch sie kommen nicht an die Ursachen der Gewalt heran.
Gender-Expertinnen haben längst nachgewiesen, dass isolierte Empowerment-Projekte für Frauen oft unbeabsichtigte Nebeneffekte für Männer haben. So bewerten kriegstraumatisierte Männer die ausschließlichen Angebote an Frauen als Affront. Manche werden gewalttätig, schlagen und missbrauchen ihre Frauen, um ihre Macht zu demonstrieren. Deshalb entwickeln einige lokale Entwicklungsorganisationen innovative Ansätze zur Arbeit mit Männern. In manchen afrikanischen Ländern sind sie vernetzt und tauschen Erfahrungen über Erfolge oder Fehlschläge aus. Viele anschauliche Berichte und Hintergrundanalysen über diese Arbeit sind im Internet verfügbar.
Dennoch nehmen die meisten Autorinnen des vorliegenden Sammelbandes weder auf diese Organisationen noch auf deren Vernetzung Bezug. Der Titel suggeriert, dass es darum gehen soll, Männer in Anti-Gewaltprojekte einzubeziehen. Doch diesen Anspruch löst das Buch in weiten Teilen nicht ein. Weder in ihrer Einleitung noch in dem sehr knappen Schlusswort stellt Herausgeberin Jane Freedman überzeugende thematische Verbindungen zwischen den einzelnen Beiträgen her.
Die sechs Aufsätze, die Afrika allgemein, Sierra Leone, Liberia, Mosambik, Südafrika, Ruanda und die Demokratische Republik Kongo behandeln, stehen weitgehend isoliert nebeneinander. Einige beschreiben Details aus begonnenen Doktorarbeiten, ohne diese in die länderspezifischen Kontexte einzuordnen. Von Projekten mit Männern erfährt man höchstens in Nebensätzen oder anekdotischen Zitaten. Die Potenziale und Grenzen der präventiven Ansätze mit Männern innerhalb der Anti-Gewaltarbeit werden nicht analysiert.
Eine Ausnahme ist der Beitrag von Henny Slegh und Annemiek Richters: Sie zeigen, wie Männer als Gewalttäter und zugleich Kriegsopfer angesprochen werden können. Im ländlichen Mosambik und Ruanda wirken Betroffene selbst an Initiativen beispielsweise auf Nachbarschaftsebene mit, die an ihre Bedürfnisse angepasst sind. Männer erhalten einen moralischen Kompass, den viele durch eigene Gewalterfahrungen verloren hatten.
Es wäre wünschenswert gewesen, solche Ansätze auch aus anderen Ländern vorzustellen und die Einschätzungen verschiedener afrikanischer Autoreninnen und Autoren in die Auseinandersetzung einzubeziehen. So bietet dieses überteuerte Buch nur wenige interessante Impulse zu einem wichtigen Thema, das eine differenziertere Bearbeitung verdient hätte. (Rita Schäfer)
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