Am 5. Mai haben der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Hudai, und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegener (CDU) eine Partnerschaft der beiden Metropolen unterzeichnet. Bemühungen um mehr Zusammenarbeit gab es schon seit Jahren, Berliner Bezirke haben bereits Partnerschaften mit israelischen Städten. Tel Aviv ist nicht die Hauptstadt Israels, aber das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Berlin hat bisher 18 Partnerstädte, darunter London, Istanbul und Kiew; eine Verbindung mit Moskau ruht aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Die Partnerschaft mit Tel Aviv hat das Abgeordnetenhaus einstimmig beschlossen. In Deutschland haben bereits Köln, Frankfurt, Essen und Freiburg langjährige Partnerschaften mit der Stadt am Mittelmeer. Bonn verbindet eine Städtefreundschaft mit Tel Aviv und mit Ramallah im Westjordanland, und Köln ist neben Tel Aviv auch mit Bethlehem im Westjordanland verbunden.
Angesichts der international wachsenden Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen, an der Blockade humanitärer Hilfe und dem Militäreinsatz mit Zehntausenden Toten unter den Palästinensern ist Berlins neue Partnerschaft umstritten. In den sozialen Netzwerken hat die Entscheidung des Berliner Senats zu teils heftiger Kritik geführt.
Gegen Antisemitismus in Berlin
Für Berlins Regierenden Bürgermeister soll die Partnerschaft durch mehr Austausch zwischen beiden Städten dem wachsenden Antisemitismus in der deutschen Haupstadt etwas entgegensetzen. „Gerade in diesen herausfordernden Zeiten setzen wir ein Zeichen für Vielfalt, Zusammenhalt und Humanität“, sagte Kai Wegener gegenüber der dpa. Berlin und Tel Aviv verbinde gesellschaftlich, historisch, kulturell und auch wirtschaftlich sehr viel.
Die Zivilgesellschaft soll nach Angaben von Pressesprecherin Christine Richter in die neue Partnerschaft eingebunden werden. „Die Senatskanzlei pflegt gute Beziehungen zu Akteuren der Berliner Zivilgesellschaft, die in der deutsch-israelischen Zusammenarbeit aktiv sind“, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Gil Shohat, Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv, hält den Zeitpunkt für die neue Partnerschaft und die Art, wie sie begründet wird, für unglücklich. Die Entscheidung „mitten in einem zerstörerischen Krieg Israels gegen die Palästinenser in Gaza sowie der eskalierenden Gewalt und Vertreibung im illegal besetzten Westjordanland“ sende ein „Signal der Normalisierung in Zeiten, die alles andere als normal sind“, sagt Shohat. Die einseitige Begründung dieser neuen Städtepartnerschaft als „Zeichen der Solidarität mit Israel“ müsse von vielen Berlinern mit palästinensischen Wurzeln „gerade jetzt als Affront verstanden werden“, so Shohat.
Eine einseitige Partnerschaft
Die Palästinensische Gemeinde in Berlin und Brandenburg vermisst vor allem die Ausgewogenheit bei der Entscheidung. In einem Brief an Kai Wegener appelliert ihr Sprecher Thair Hajjo dafür, Berlin solle auch Kontakte zu einer palästinensischen Kommune aufnehmen. „Wir schätzen Berlins Einsatz für internationale Zusammenarbeit und kulturellen Austausch im Rahmen von Städtepartnerschaften“, schreibt Hajjo. „Gleichzeitig nehmen wir mit großer Sorge wahr, dass diese spezielle Partnerschaft mit Tel Aviv – insbesondere angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen – einseitig wirkt und das anhaltende Leid des palästinensischen Volks ausblendet.“ Hajjo fordert einen offiziellen Dialog der Stadt mit Vertretern der Palästinensischen Gemeinde und die Anbahnung einer Partnerschaft mit einer palästinensischen Stadt wie zum Beispiel Ramallah, Bethlehem oder Gaza-Stadt.
Der Abgeordnete der Partei Die Linke aus Neukölln, Ferat Koçak, hält eine Partnerschaft allein mit Tel Aviv ebenfalls für einseitig. Koçak vertritt für Die Linke den Berliner Bezirk Neukölln im Bundestag. Eine zusätzliche Partnerschaft mit einer palästinensischen Stadt wäre „ein echtes Signal für Frieden“ gewesen, sagte er gegenüber der „taz". „In meinem Bezirk Neukölln lebt die größte palästinensische Community außerhalb Palästinas.“ Er halte es für wichtig, dass ihre Perspektive ebenfalls Gehör finde, und kündigte in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln an, Kontakte zu einer palästinensischen Kommune zu suchen. Nach Angaben von Senatssprecherin Richter ist eine Partnerschaft mit einer palästinensischen Stadt jedoch nicht geplant.
Die entwicklungspolitischen Gruppen in der Stadt positionieren sich nicht zum Thema. Der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag e.V., ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die nach eigenen Angaben gemeinsam an der „Vision einer solidarischen Stadt in einer gerechten Welt“ arbeiten, will sich dazu nicht äußern. Man habe zu dem Thema „keine Expertise“, schreibt Geschäftsführer Alexander Schudy auf Anfrage in einer E-Mail-Antwort. Und die im Berlin Global Village, dem Eine-Welt-Zentrum in der Hauptstadt, beheimateten Gruppen geben grundsätzlich keine gemeinsamen politischen Stellungnahmen heraus.
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