Wo enden heutzutage die meisten ausgedienten Schiffe?
Die meisten werden in Südasien verschrottet. Dort nehmen unzählige Werften, die an nur drei Stränden in Bangladesch, in Indien und in Pakistan angesiedelt sind, jährlich Hunderte Tanker, Containerschiffe, fahrende Ölbohrinseln und mehr auseinander.
Wie werden die ausgedienten Schiffe dort verschrottet und welche Probleme birgt das, vor allem für die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeiter und für die Umwelt?
In Südasien fahren die Schiffe während der Flut auf den Strand und bleiben im Gezeitenwatt stecken – das nennt man „beaching“ –, wo sie hauptsächlich von Arbeitsmigranten auseinandergenommen werden. Dabei treten Öl und schwermetallhaltige Lackspäne aus und verschmutzen das Küstengebiet. Die Arbeitsbedingungen sind gefährlich, weil auf dem Sand Schwerlastkräne nicht sicher genutzt werden können. Unfälle sind häufig. Beim schlimmsten Unfall des vergangenen Jahres tötete ein großes Feuer in Bangladesch sechs Arbeiter und verletzte mindestens sechs weitere schwer.
Ist das an allen drei Orten so?
Nein, die Bedingungen in Bangladesch und Pakistan gelten generell als schlechter als in Indien. Am Alang-Strand in Indien hat sich einiges verbessert, aber selbst die besten Werften in Indien dürften in der Europäischen Union nie so arbeiten.
Ende Juni tritt das Internationale Übereinkommen von Hongkong über das sichere und umweltgerechte Recycling von Schiffen in Kraft. Es soll die Standards weltweit verbessern. Wie beurteilen Sie das Übereinkommen?
Es wird die Probleme nicht lösen, sondern stattdessen den Interessen der Schifffahrtsunternehmen dienen, die die wahren Kosten für nachhaltiges Recycling nicht zahlen wollen. Das Hongkonger Übereinkommen segnet bestehende Praktiken ab, was sich an den über hundert Beaching-Werften in Südasien zeigt, die schon bescheinigt bekommen haben, dass sie das Übereinkommen einhalten. Außerdem droht es die Bemühungen verantwortungsvoller Schiffsrecycler zu untergraben, die sich für gleiche Wettbewerbsbedingungen einsetzen.
Inwiefern?
Unternehmen, die in Infrastruktur und vernünftige Abfallbehandlung investiert haben, können nicht mit den Anlagen konkurrieren, die diese Kosten nicht berücksichtigen müssen. Für die Umsetzung des Übereinkommens sind die Flaggenstaaten verantwortlich, und es ist gängige Praxis, dass Schiffe am Ende ihrer Betriebszeit die Flagge wechseln hin zu Verwaltungen, die dafür bekannt sind, die Regeln für maritime Sicherheit und Umweltschutz zu ignorieren. Das ist ein Schlupfloch, das viele Schiffseigner und Schrotthändler, die Schiffe an die Beaching-Werften verkaufen, ausnutzen werden. Das Hongkonger Übereinkommen versagt ferner dabei, eins der Grundprinzipien des Umweltrechts aufrechtzuerhalten, nämlich dass es verboten ist, giftige Abfälle in Entwicklungsländern zu entsorgen.
Was ist jetzt nötig?
Das Übereinkommen sollte nachverhandelt und die schwachen Standards und Schlupflöcher beseitigt werden. Die EU-Schiffsrecycling-Verordnung von 2013 kann dabei als Vorbild dienen. Diese baut zwar auf dem Hongkonger Übereinkommen auf, das bereits 2009 verabschiedet wurde, aber erst jetzt in Kraft tritt. Die EU-Verordnung umfasst aber zusätzliche Anforderungen und Kontrollmechanismen für Abfallentsorgung und unabhängige Zertifizierung. Die EU mit ihrer großen Flotte muss vorangehen und Technologien und Anreize unterstützen, so dass neue alternative und wettbewerbsfähige Recyclinganlagen errichtet werden.
Das Gespräch führte Phillipp Steiner.
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