Was nach dem Krieg kommt

Gibt es den viel beschworenen Neuanfang nach gewaltsamen Konflikten? Ein Sammelband untersucht die Lage in ausgewählten afrikanischen Ländern.

Die Afrikawissenschaftler Gerhard Anders und Olaf Zenker unterstreichen die große Kluft zwischen den Gerechtigkeitsvisionen neuer Regierungen und der schwierigen Realität in Post-Konfliktstaaten. In ihrer Einleitung skizzieren sie Probleme bei der Aufarbeitung von Gewaltverbrechen und Unrecht. Gleichzeitig kritisieren sie vereinfachende Vorstellungen von afrikanischen Kulturen und fordern lokale Ansätze.

Der Sammelband enthält zehn Länderstudien, von denen sich drei mit Südafrika und je zwei mit Uganda und Ruanda befassen. Weitere Beiträge widmen sich Kenia, Sierra Leone und Mauretanien. Nordafrika wird ausgespart, obwohl Vergleiche zwischen den Staaten nördlich und südlich der Sahara aufschlussreich gewesen wären. Das gilt besonders mit Blick auf Tunesien, Ägypten oder Marokko, zumal der Titel einen Blick auf ganz Afrika verspricht. Die Autoren kommen mehrheitlich aus Europa, forschen aber teilweise an afrikanischen Universitäten.

Südafrikas Wahrheits- und Versöhnungskommission galt als Vorbild für ähnliche Gremien auf dem Kontinent. Sie bildet hier aber nur einen knapp skizzierten Ausgangspunkt. Die Autoren gehen kaum auf die Kontroversen über Erfolge und Beschränkungen ihrer Arbeit ein. Vielmehr spannen sie einen breiten Bogen über Konflikte um Landrechte hin zu Reformmängeln im staatlichen Sicherheitssektor und in der Entwicklung der Infrastruktur. Dabei nehmen sie Strukturprobleme bei der Polizei und mangelhafte sanitäre Anlagen in informellen, städtischen Siedlungen in den Blick. Die Debatte des Interessenverbands der Apartheidopfer Khulumani mit der Regierung über Reparationen als Beitrag zur Gerechtigkeit kommt jedoch nicht zur Sprache.

Die Texte über Ruanda setzen neue Akzente. Sie erläutern Standortbestimmung und Selbstreflexion der Juristen am Internationalen Ad-hoc Straftribunal für Ruanda und Vorstellungen von guter Staatsbürgerschaft nach dem Genozid 1994. Die Regierung unter Paul Kagame hatte verschiedene Lager für Hutu-Täter und überlebende Tutsi eingerichtet – entsprechend variierte ihre Ausstattung und ideologische Ausrichtung. Trotz der Betonung nationaler Einheit herrschte hier eine Diskrepanz. Verkompliziert wurde die Situation durch die Lager des UN-Flüchtlingshilfswerks in der Demokratischen Republik Kongo, in denen alle Hutu als Opfer betrachtet wurden. Das nutzten Genozid-Täter bekanntermaßen zum Untertauchen aus.

Besonders aufschlussreich sind die Artikel über Uganda. Sie beleuchten die Kooperation der ugandischen Regierung mit dem Internationalen Strafgerichtshof und berichten sehr kritisch über die so genannte Ethnojustiz im Norden des Landes. Lokale Amtsträger führen dort unter Berufung auf Traditionen und finanziert von Entwicklungsorganisationen Versöhnungsrituale durch. Der damit verbundene Machtmissbrauch trägt nicht zum erhofften Frieden bei, sondern verstärkt soziale Ungleichheiten auf Kosten von Frauen und Jugendlichen. Auch lenken die Rituale von nationalen politischen Konflikten ab.

Der Sammelband enthält somit interessante Beiträge, die bereits in einem Themenheft der Zeitschrift „Development and Change“ (45/2014) erschienen und einzeln elektronisch verfügbar sind.

Rita Schäfer
 

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Skateboard aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!