Das bengalische Wort „Shojon“ bedeutet übersetzt so etwas wie „ein geliebter Mensch“. Shojon ist aber auch der Name einer Initiative der gemeinnützigen Sajida-Stiftung für psychische Gesundheit, die kostenlose Dienste anbietet und vor allem armen Menschen verspricht, ihnen in ihren dunkelsten Zeiten die Hand zu halten – wie ein geliebter Mensch. Die nichtstaatliche Organisation wird von Renata Ltd. gesponsert, einem der am schnellsten wachsenden Pharmaunternehmen in Bangladesch.
Nach dem Aufstand gegen die Regierung von Sheikh Hasina im Juli 2024 hat die Online-Beratungsplattform von Shojon ihre Dienste deutlich ausgeweitet. Heute unterstützt sie gegen eine geringe Gebühr nicht nur arme, sondern alle Menschen, die unter psychischen Problemen leiden.
Das liegt vor allem daran, dass viele Studierende, die damals protestiert haben, heute körperlich und psychisch verletzt sind. Etliche von ihnen haben Schusswunden, Augenverletzungen, oder es mussten ihnen wegen verspäteter Behandlung von Wunden sogar Gliedmaßen amputiert werden. „Es sind gewöhnliche Studenten und auch eher unpolitische Menschen wie Teeverkäufer und Rikschafahrer“, sagt Amena Akter, die Anrufe der Hilfesuchenden entgegennimmt. Nach dem 5. August 2024, an dem Premierministerin Sheikh Hasina schließlich zurücktrat, seien viele von ihnen traumatisiert.
Die Beratung läuft in der Regel in drei Stufen ab. Das erste Gespräch wird von einem von Shojon geschulten Berater durchgeführt, der einfühlsam und vorurteilsfrei, aber kein Psychologe ist. Aufgabe dieser Berater ist es, eine erste psychosoziale Unterstützung zu leisten. „Stufe zwei sind Gespräche mit professionellen Beratern“, erläutert Akter. Auch dieser Dienst ist derzeit kostenlos. „Stufe drei ist, wenn nötig, der psychiatrische Dienst. Der ist nicht mehr kostenlos, aber Shojon hat sich mit Organisationen zusammengetan, die gegen eine kleine Gebühr helfen.“ Amena Akter selbst arbeitet seit zweieinhalb Jahren als geschulte Beraterin bei Shojon.
Shojon geht aktiv auf notleidende Menschen zu
Autorin
Raffat Binte Rashid
ist Redakteurin bei „The Daily Star“, der größten englischsprachigen Tageszeitung in Bangladesch, und Chefredakteurin einer Wochenbeilage der Zeitung.Ursprünglich musste sich, wer Hilfe suchte, zuerst selbst bei der Organisation melden – dieses Angebot besteht heute nach wie vor. Zusätzlich aber geht Shojon seit der Julirevolution aktiv auf notleidende Menschen zu. „Wir erhalten Kontaktinformationen von Organisationen wie der Juli-Märtyrer-Gedenkstiftung, den Studenten gegen Unterdrückung und anderen“, erläutert Farjana Sharmin, Programmleiterin für psychische Gesundheit bei der Sajida-Stiftung.
Die Juli-Märtyrer-Gedenkstiftung ist eine Organisation, die auf der Grundlage der Erinnerungen an die verstorbenen Demonstranten des Juli-Massakers von der Regierung von Bangladesch und von den Studenten gegen Unterdrückung gegründet wurde. „Wir haben mehr als 1900 Studenten erreicht, von denen 500 Unterstützung der Stufe zwei oder drei benötigten“, sagt FarJana.
Die Shojon-Teleberatungsgespräche haben gezeigt, dass viele Demonstranten und Familienangehörige von Verstorbenen Symptome von Trauma und Trauer aufwiesen. Deshalb plant die Sajida-Stiftung, mit Hilfe der neuen Regierung ein Traumaberatungszentrum für verletzte Mitglieder der Demokratiebewegung und trauernde Familien einzurichten. Die soll an insgesamt vier Standorten in Bangladesch angeboten werden. Bislang gibt es das Angebot aber erst in der Millionenstadt Narayanganj und in der Hauptstadt Dhaka.
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