Von den Kantonen zurück an Konzerne?

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Die Schweiz lässt Mehreinnahmen aus der OECD-Mindeststeuer für international tätige Konzerne an heimische Unternehmen zurückfließen. Davon profitiert auch der Zementhersteller Holcim, der seinen Hauptsitz im Kanton Zug hat.
Globale Mindeststeuer
In der Schweiz fließen drei Viertel der Mehreinnahmen aus der globalen Mindeststeuer an die Kantone. Die wollen sie nun für Subventionen an Firmen verwenden, also einen Standortwettbewerb zulasten der Staatskassen – auch im Süden.

Ende November hat eine Mehrheit der Bevölkerung des Kantons Zug in der Zentralschweiz für ein „Gesetz zur Standortförderung“ gestimmt. Es legt fest, dass die Mehreinnahmen, die die OECD-Mindeststeuer für international tätige Konzerne dem Kanton in die Kassen spült, in Form von Subventionen zu großen Teilen an die Wirtschaft zurückfließen sollen. Ansonsten, so die Befürchtung der Kantonsregierung, drohe Zug, das Sitz von Großkonzernen wie dem Rohstoffhändler Glencore oder dem Zementriesen Holcim ist, an Standortattraktivität zu verlieren.

Fachleute warnen, dass damit die Absicht der 2021 beschlossenen OECD-Mindeststeuer konterkariert wird. Eigentlich sollte sie ein Meilenstein sein im Kampf um ein gerechteres globales Steuersystem. 138 Länder haben sich darauf geeinigt, dass Länder, aus denen Unternehmen ihre Gewinne in andere Staaten mit Steuersätzen unter 15 Prozent verschieben, die Differenz einziehen dürfen. Die Mindeststeuer stelle sicher, schreibt die OECD auf ihrer Website, dass multinationale Konzerne ein Minimum an Steuern zahlen, wo sie Gewinne machen. Auf diese Weise soll einem Steuerwettbewerb nach unten Einhalt geboten und verhindert werden, dass die Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen verschieben.

In der Schweiz haben das Parlament und dann die Stimmbevölkerung 2023 einen Verfassungsartikel gutgeheißen, der zum Ziel hat, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen in der Schweiz bleiben und nicht uns Ausland fließen. Er sieht vor, dass von den zusätzlichen Steuereinnahmen drei Viertel in den Kantonen bleiben sollen und nur ein Viertel an den Bund geht. Das Beispiel Zug zeigt, wie Kantone das zusätzliche Geld nutzen, um bei ihnen ansässige Unternehmen zu fördern und zu entlasten. Mit anderen Worten: In der Schweiz profitieren dieselben Konzerne von der OECD-Mindeststeuer, die weltweit eigentlich stärker zur Kasse gebeten werden sollen.

Grundsätzlich ist die Mindeststeuer zu tief angesetzt

Dominik Gross, Steuerexperte beim NGO-Netzwerk Alliance Sud, erklärt, durch diese Praxis werde der Steuerwettbewerb in der Schweiz und international durch einen Standortwettbewerb ersetzt, in dem sich wichtige Konzernstandorte mit Subventionen an Großkonzerne gegenseitig zu überbieten versuchten. Alliance Sud habe sich deshalb dafür eingesetzt, dass die Zusatzeinnahmen aus der OECD-Steuer vollständig an den Bund gehen, sagt Gross. Dann hätte man damit unter anderem internationale Klimaprojekte finanzieren können – und damit könnte ein Teil des Geldes zumindest indirekt wieder in ärmere Länder fließen.

Ein grundsätzliches Problem der Mindeststeuer sei, dass sie zu tief angesetzt sei, sagt Gross. Die meisten Länder im globalen Süden hätten Steuersätze von über 25 Prozent. Die Mindeststeuer von 15 Prozent sei also zu tief, um die Verschiebung von Gewinnen aus dem Süden in den Norden grundsätzlich zu verhindern weil es sich für Firmen noch immer lohnt, ihren Steuersitz in Drittländern zu haben statt dort, wo sie wirtschaften. Für Gross ist besonders bitter, dass mit der Umsetzung in der Schweiz jetzt gar nichts mehr an die Länder des globalen Südens zurückfließt. Zum einen, weil die Umsetzung explizit darauf abzielt, die zusätzlichen Steuereinnahmen in der Schweiz zu behalten. Zum anderen, weil das zusätzliche Steuergeld nicht für internationale Projekte eingesetzt werde.

Dereje Alemanyehu von der Global Tax Justice Alliance ergänzt, die OECD-Steuer könne indirekt dazu führen, Länder mit höheren Steuern unter Druck zu setzen, diese auf 15 Prozent zu senken. Das betreffe vorwiegend Entwicklungsländer, die dadurch sogar Steuereinnahmen verlieren könnten. Statt einen Steuerwettlauf nach unten zu bremsen, befördere die Steuer einen Wettlauf zum Minimum von 15 Prozent.

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