Wo die Drogenbarone herrschen

Der Berliner Journalist Gerd Bedszent untersucht, wie kriminelle Banden in verfallenden Staaten die Macht übernehmen. Das liest sich spannend und einprägsam, in manchen Fällen überwiegt allerdings die Schwarz-Weiß-Malerei.

Was haben Staaten wie Jamaika, Mali, Mexiko, Zypern und das Kosovo gemeinsam? Laut Gerd Bedszent handelt es sich bei allen um gescheiterte oder im Verfall begriffene Staatsgebilde. Drogenbarone, die Mafia, kriegerische Milizen, islamistische Eiferer oder Guerillaorganisationen füllen das Machtvakuum aus. Sie bauen nach dem Zusammenbruch der regulären Wirtschaft eine kriminelle Schattenwirtschaft auf, waschen leicht verdiente Milliardengewinne im Ausland und speisen sie in die Volkswirtschaften Nordamerikas, Westeuropas oder Asiens ein.

Der Autor schreibt spannend und einprägsam. In acht informativen Länderberichten blickt er auf die vergangenen Jahrzehnte zurück, stellt die Wendepunkte in den Nationalgeschichten dar und beschreibt die aktuelle Lage. Die Kapitel über den Siegeszug der Drogenbarone auf Jamaika oder der Menschenhändler im Kosovo sind lesenswerte Dokumente des Zerfalls von Volkswirtschaften und Staatsgewalt, die von mafiösen Kartellen gekapert wurden. Etwas zu kurz kommen hingegen die Analyse der Ursachen und die Perspektiven, etwa für Mexiko und Guatemala.

Das Kolumbienbild des Autors gerät zu einem äußerst negativen Tableau. Auch die Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen Regierung und Guerilla werde den kolumbianischen Bürgerkrieg nicht beenden, schreibt er. Der „Vormarsch einer kriminellen Schattenökonomie“ verbreitere die soziale Kluft, das werde bald erneut zu Gewaltausbrüchen führen. Bedszent zeichnet ein Schwarz-Weiß-Bild, das der Realität nicht immer standhält, etwa wenn er die paramilitärischen Todesschwadronen verteufelt, die Guerilleros hingegen mit Verständnis betrachtet.

Die acht Länderkapitel sind zwischen 2011 und 2014 entstanden und in der Mehrzahl bereits in der Zeitschrift „BIG Business Crime“ erschienen. Im analytischen Teil seines Buches geht Bedszent den Ursachen für die Zerfallsprozesse nach. Dabei stützt er sich auf den 2012 gestorbenen postmarxistischen Philosophen und Publizisten Robert Kurz und dessen Wertekritik. Der sah bereits in den 1980er Jahren den Kapitalismus in einer endgültigen Krise. „Hilflose Rezepte“ wie kreditfinanzierte staatliche Konjunkturprogramme böten keine nachhaltigen Lösungen für die schlechte Wirtschaftsentwicklung in armen Ländern.

Neoliberale Vorstellungen führten zum Rückbau des Staates und der Übernahme durch kriminelle Banden. Die Folge seien blutige Verteilungskämpfe und außer Kontrolle geratene Kriege, die die Rohstoffzufuhr für den Norden gefährden. Dies wiederum rufe die „Weltordnungskrieger“ auf den Plan, die – wie in Libyen, im Irak und im Kosovo – militärisch eingreifen – und die Lage noch verschlimmern.
Es gebe Auswege aus diesem Teufelskreis, meint Bedszent. Der Kapitalismus sei kein Naturgesetz und erst ein paar hundert Jahre alt. Die Menschen seien lernfähig und können andere Formen des Zusammenlebens entwickeln – doch welche das sein sollen, das lässt der Autor offen.

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