Landraub ist oft hausgemacht

Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes schauen sich die Enteignungen von Land in Ostafrika näher an. Sie erklären, wer daran beteiligt ist und warum transparente Vergabeverfahren nötig sind. 

Großflächige Landenteignungen in Afrika sorgen für Furore. Während manche Befürworter sie als Neuordnung der Besitzverhältnisse und Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung preisen, skandalisieren ihre Gegner die Existenzverluste von Kleinbauern. Vor allem in Nachkriegsländern wird Land privatisiert. Hier haben staatliche Institutionen wenig Durchsetzungskraft oder sie sind parteiisch. Auch lokale Autoritäten tragen aktiv dazu bei. Viele haben in langjährigen Kriegen ihre Glaubwürdigkeit verloren und gewinnen sie nicht zurück, weil sie mit Investoren gute Geschäfte machen – häufig auf Kosten derjenigen, deren Interesse sie eigentlich vertreten sollten.

Von diesen Strukturproblemen handelt das vorliegende Buch. Es konzentriert sich auf die Demokratische Republik Kongo, hinzukommen Fallbeispiele aus Uganda, Ruanda und Burundi. Angesichts der anstehenden Wahlen 2016 im Kongo und der gegenwärtigen Unruhen in Burundi haben die Auseinandersetzungen über die kostbare Ressource Land auch eine tagespolitische Bedeutung. Alle Autorinnen und Autoren kommen aus ostafrikanischen Ländern, den Niederlanden und Belgien. Sie ziehen zeitliche Längsschnitte und illustrieren, wie Patronage, Klientelismus und Nepotismus bereits in der Kolonialzeit und unter den nachkolonialen Diktatoren verbreitet waren. Darauf bauen heutige Eliten auf. So wurden unter der belgischen Kolonialherrschaft im Kongo zwischen 1920 und 1945 zwölf Millionen Hektar Land für die Plantagenwirtschaft enteignet. Die Agrarpolitik der belgischen Kolonialverwaltung schuf beziehungsweise verstärkte ethnische Differenzen, etwa zwischen Hema und Lendu. Letztere galten als kolonialkritische Unruhestifter.

Nach der politischen Unabhängigkeit 1960 setzte Präsident Mobutu Sese Seko ethnische Patronage und die Agro-Industrie fort. Er bevorzugte vor allem Hema-Geschäftsleute, die großflächige Landwirtschaft betreiben ließen. Diese jahrzehntelangen Ungleichheiten wirken sich auf die heutigen Konflikte aus, wie verschiedene Autoren an Fallstudien zu Nord- und Süd-Kivu sowie zu Ituri zeigen. So rauben keineswegs nur ausländische Investoren die Identität stiftende Ernährungsbasis der kleinbäuerlichen Bevölkerung, wobei sie korrupte lokale Autoritäten als Partner gewinnen.

Konkurrenten auf dem Landmarkt setzen zudem gezielt Milizen ein, um die jeweiligen Gegenspieler zu besiegen. Die kongolesische Regierung und die Provinzverwaltungen gebieten diesen Machenschaften kaum Einhalt, obwohl einige Gesetze und Abkommen das verlangen. Auch in Uganda, Ruanda und Burundi entscheiden lokale und nationale Machtkonstellationen über den Landbesitz. Nach dem dortigen Ende der gewaltsamen Konflikte beziehungsweise des Genozids wurden teilweise neue Landrechte erlassen, deren Umsetzung jedoch umstritten ist. Mancherorts legen in- und ausländische Interessenten die Besitzregeln sehr eigenwillig aus. Die einheimische Bevölkerung wird häufig ausgebeutet oder vertrieben, Konflikte eskalieren. Umso wichtiger sind transparente Vergabeprozesse und Konfliktmediationen. Dazu fordern die Herausgeberinnen in ihrem lesenswerten Buch auf.

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