Eine arabische Frauenrechtlerin erzählt

Die 87-jährige Ägypterin Nawal El Saadawi zählt zu den bekanntesten arabischen Frauenrechtlerinnen. In ihren zweibändigen Memoiren beschreibt die Ärztin, Aktivistin und Autorin ihr Leben bis zum Jahr 2000 – leider mit zu viel Nabelschau.

Im ersten Band behandelt El Saadawi ihre Kindheit und Jugend, ihr Studium und ihre Ausbildung. Der zweite beginnt mit dem Exil in den USA, wohin sie nach Morddrohungen von Islamisten 1992 floh, und endet im Jahr 2000. Die Autorin schildert ihre Kindheit in einer ebenso konservativen wie bildungsorientierten Familie. Sie berichtet vom Trauma ihrer Beschneidung, zu der ihre Familie sie zwang, und gleichzeitig vom Stolz eben dieser Familie auf ihre akademischen und beruflichen Erfolge. Als Ärztin bekam El Saadawi einen genauen Einblick in das Leben vieler Frauen und in deren körperliche wie psychische Probleme. Anders als viele Aktivistinnen ihrer Generation, die aus der Oberschicht stammen und meist kaum aus Kairo herauskamen, hat sie auch auf dem Land gearbeitet.

Hauptthema ihres Wirkens ist die Macht einer patriarchalen Gesellschaft über den weiblichen Körper. El Saadawi gehört zu den ersten, die in Büchern und Vorträgen die weibliche Genitalbeschneidung in Ägypten kritisiert und damit konservative Kreise dadurch gegen sich aufgebracht haben. Ihre Bücher wie „Frauen und Sexualität“ oder „Tschador. Frauen im Islam“ machten sie zu einer öffentlichen Figur. Ihren Zeitschriften „Die Gesundheit“ und „Confrontation“ haben die Behörden die Genehmigung entzogen und die von ihr gegründete Vereinigung „Arab Women‘s Solidarity Association“ nach Kräften behindert.

Saadawi schonte sich selbst nicht und ging persönliche Risiken ein. Unter Präsident Anwar el-Sadat kam sie wegen „staatsgefährdendem Verhalten“ ein Jahr lang ins Gefängnis und wurde erst nach der Ermordung Sadats 1981 wieder freigelassen. Einen breiten Raum nehmen allerdings auch die persönlichen Befindlichkeiten Saadawis in ihren drei gescheiterten Ehen ein. Sie stehen mehr im Vordergrund als die Situation der ägyptischen Frauen. Deshalb hinterlassen die Memoiren trotz des interessanten Einblicks in weibliches Leben in Ägypten ein zwiespäl­tiges Gefühl. Es fehlt der im Westen gefeierten Autorin und Aktivistin an Bodenhaftung.

Zudem ist das Buch kein wirkliches Lesevergnügen. Die Schilderungen der Autorin enthalten zahlreiche Wiederholungen, sind häufig langatmig und von der Chronologie her teilweise wirr. Den Bezug zu ihrer schwierigen Heimat und den Härten, die das Leben dort für Frauen wie Männer mit sich bringt, scheint sie zunehmend verloren zu haben.

Claudia Mende

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